05. Januar 2025
Betriebsverfassungsrecht, Vergütung
Autor Dr. jur. Dirk Schreiner
Stets up-to-date.

Sie möchten arbeitsrechtlich stets auf dem neuesten Stand bleiben? Dann abonnieren Sie unseren kostenfreien Newsletter und seien Sie Ihrem Gegenüber stets einen Schritt voraus.

Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Einstellung oder Kürzung von „freiwilligen“ Leistungen

Das Bundesarbeitsgericht (z.B. Beschluss vom 10.12.2013 – 1 ABR 39/12) unterscheidet bei der Mitbestimmung des Betriebsrates in Bezug auf die Einstellung oder Kürzung von Entgeltbestandteilen gemäß § 87 Abs. 1 Ziffer 10 BetrVG zwischen tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Arbeitgebern.

Beim tarifgebundenen Arbeitgeber

Der tarifgebundene Arbeitgeber zahlt nach Auffassung des BAG nur die übertariflichen Entgeltbestandteile betriebsverfassungsrechtlich freiwillig und ggf. nach einem mitbestimmungspflichtigen Leistungsplan. Bezüglich des tariflichen Entgelts ist er demgegenüber an den Tarifvertrag gebunden und ein diesbezügliches Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist gemäß § 87 Abs. 1 Eingangshalbsatz BetrVG (Tarifvorrang) ausgeschlossen.

Mitbestimmungspflichtig ist daher nur die Änderung eines einheitlichen Leistungsplans bezüglich mehrerer übertariflichen Entgeltbestandteile, also die Kürzung oder Einstellung einzelner Entgeltbestandteile, soweit diese in einem Zusammenhang mit anderen übertariflichen Entgeltbestandteilen gewährt werden.

Individualrechtlich ist der Arbeitgeber zur Kürzung oder zur Einstellung übertariflicher Leistungen nur bei einem wirksam vereinbarten Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalt berechtigt oder aber die Einstellung der Leistung erfolgt durch Kündigung einer die Leistung regelnden nicht nachwirkenden Betriebsvereinbarung.

Kommt es bezüglich der Änderung des Leistungsplans nicht zu einer Einigung mit dem Betriebsrat ist gemäß § 87 Abs. 2 BetrVG die Einigungsstelle zuständig. Diese ist allerdings an eine Entscheidung des Arbeitgebers zur vollständigen Einstellung des Dotierungsrahmens für einzelne Entgeltbestandteile gebunden, weil diese die nicht mitbestimmungspflichtige Lohnhöhe (das Ob, den Zweck und den abstrakten Personenkreis der freiwilligen Leistung) betrifft.

Die Mitbestimmung des Betriebsrats und damit die Zuständigkeit der Einigungsstelle ist allerdings von vornherein ausgeschlossen, wenn einzelne Entgeltbestandteile jeweils in einer separaten Betriebsvereinbarung ohne gegenseitige Bezugnahmen geregelt sind; dann liegt insoweit nämlich kein einheitliches Regelungsgefüge nach einem übergreifenden Leistungsplan vor, sodass der Arbeitgeber einzelne separat geregelte Entgeltbestandteile mitbestimmungsfrei einstellen kann (BAG, Beschluss vom 10.12.2013 – 1 ABR 39/12).

Beim nicht tarifgebundenen Arbeitgeber

Der nicht tarifgebundene Arbeitgeber gewährt demgegenüber alle Entgeltbestandteile inclusive des Grundentgeltes betriebsverfassungsrechtlich freiwillig nach einem mitbestimmungspflichtigem Leistungsplan. Die einzelnen Lohnbestandteile (Grundgehalt, Zulagen, Sonderzahlungen etc.) sind also insofern gar nicht voneinander trennbar.

Der nicht tarifgebundene Arbeitgeber kann daher einzelne Entgeltbestandteile, die zusätzlich zu dem grds. unantastbaren Grundentgelt gezahlt werden, nicht mitbestimmungsfrei kürzen oder einstellen, es sei denn der entsprechende Entgeltbestandteil ist in einer separaten Betriebsvereinbarung ohne gegenseitige Bezugnahmen zu anderen Entgeltbestandteilen geregelt; dann liegt nämlich auch hier kein einheitliches Regelungsgefüge nach einem übergreifenden Leistungsplan vor.

Die Einigungsstelle ist allerdings auch beim nicht tarifgebundenen Arbeitgeber an die Entscheidung des Arbeitgebers zur Einstellung des Dotierungsrahmens für einzelne Entgeltbestandteile gebunden, weil diese Entscheidung der Sache nach die nicht mitbestimmungspflichtige Lohnhöhe betrifft.

Tipp

Wenn Sie einzelne zusätzliche Entgeltbestandteile freiwillig gewähren wollen, regeln Sie dies in einer eigenständigen Betriebsvereinbarung, und zwar ohne Bezugnahme auf andere Entgeltbestandteile, und schließen Sie die Nachwirkung dieser Betriebsvereinbarung möglichst ausdrücklich aus. Sollte der Ausschluss der Nachwirkung nicht durchsetzbar sein, dann kündigen Sie die Betriebsvereinbarung, wenn Sie die Leistung einstellen wollen, ausdrücklich mit dem Hinweis darauf, dass Sie die Leistung zukünftig gar nicht mehr gewähren wollen, weil sie damit das nicht mitbestimmungspflichtig „Ob“ der Leistung kündigen und der Nachwirkung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG damit entgehen.

Über den Autor

Dr. Dirk Schreiner ist als Rechtsanwalt im Attendorner Büro der Kanzlei tätig. Er ist Partner und Gründer der Sozietät.

Nach seinem Studium an der Rheinischen-Wilhelms-Universität Bonn und der Universität Münster promovierte er im Jahre 1987. Anschließend arbeitete er in einer OLG-Kanzlei in Hamm sowie in einer Arbeitsrechtsboutique in Münster. Im Jahre 1993 gründete er die Anwaltskanzlei Dr. Schreiner + Partner.

Weiterlesen
Ebenfalls interessant

In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Betriebsratsmitglieder...

Artikel ansehen >

Dies entschied jetzt das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss von 13.12.2023 (1...

Artikel ansehen >

Ob mittelständisches Familienunternehmen oder Startup, viele Unternehmen haben keinen Betriebsrat...

Artikel ansehen >

Nach jahrelangen Debatten ist nunmehr zum 1. April dieses Jahres...

Artikel ansehen >

Der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz besteht erst, wenn die...

Artikel ansehen >

Über den Einsatz Künstlicher Intelligenz und die diesbezüglichen Mitbestimmungsrechte des...

Artikel ansehen >

Bundesarbeitsgericht bestätigt Instanzrechtsprechung Gemäß § 37 Abs. 6 BetrVG haben...

Artikel ansehen >

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 17.10.2023 -1 ABR 24/22)...

Artikel ansehen >