Das Bundesarbeitsgericht stellt Betriebsräte mit seinem Beschluss vom 24. April 2024 – 7 ABR 26/23 – vor eine unlösbare Aufgabe.
Gemäß § 9 BetrVG steigt die Anzahl der Betriebsratsmitglieder mit der Anzahl der Arbeitnehmer, die vom Betriebsrat vertreten werden müssen. So besteht der Betriebsrat z.B. in Betrieben mit über 1000 Arbeitnehmern aus immerhin 15 Betriebsratsmitgliedern, von denen gemäß § 38 Abs. 1 BetrVG drei vollständig von ihrer Arbeit freizustellen sind. Der Gesetzgeber begründet diese Regelungen damit, dass das Arbeitsaufkommen des Betriebsrates mit der Anzahl der Arbeitnehmer steige und das entsprechende Arbeitsvolumen nur mit einer entsprechenden Anzahl von Betriebsratsmitgliedern und Freistellungen zu bewältigen sei.
Vor diesen Hintergrund überrascht ist die jetzige Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, nach der ein „kleinerer“ Betriebsrat errichtet werden kann, wenn sich bei einer Betriebsratswahl weniger Arbeitnehmer um einen Betriebsratssitz bewerben als Betriebsratsmitglieder zu wählen sind.
Im konkreten Fall ist die Arbeitgeberin Trägerin einer Klinik mit in der Regel 170 beschäftigten Arbeitnehmern. Bei dieser Betriebsgröße sieht die Staffelung von § 9 BetrVG einen aus sieben Mitgliedern bestehenden Betriebsrat vor. Bei der eingeleiteten Betriebsratswahl kandidierten nur drei Arbeitnehmer und es wurde ein Betriebsrat mit drei Mitgliedern gewählt. Die Arbeitgeberin hat diese Wahl für nichtig gehalten und beim Arbeitsgericht eine entsprechende Feststellung begehrt.
Dem hat das BAG nicht entsprochen und die Betriebsratswahl für wirksam erachtet. Es stehe der Wahl eines Betriebsrats nicht entgegen, wenn sich nicht genügend Bewerber für das Betriebsratsamt finden. Dies folge vor allem aus dem in § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ausgedrückten Willen des Gesetzgebers, dass in Betrieben mit in der Regel mindestens fünf ständig wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, Betriebsräte gewählt werden. Wenn sich weniger Kandidaten zur Wahl stellen als Betriebsratssitze zu besetzen sind, ist auf die (jeweils) nächst niedrigere Stufe des § 9 BetrVG so lange zurückzugehen, bis die Zahl von Bewerbern für die Errichtung eines Gremiums mit einer ungeraden Anzahl an Mitgliedern ausreicht.
Fazit:
Nach Auffassung des BAG reicht es also aus, wenn z.B. in einem Betrieb mit über 1000 Arbeitnehmern ein Betriebsrat mit nur einem Mitglied gewählt wird. Das ist schon sehr erstaunlich! Wie dieses einzelne Betriebsratsmitglied in der Lage sein soll, die anfallenden Arbeiten in Bezug auf die Ausübung seiner vielfältigen Mitbestimmungsrechte etwa bei Einstellungen, Versetzungen, der betrieblichen Ordnung, der Verteilung der Arbeitszeit, der Lohngestaltung, der IT, der Personalplanung, der Berufsbildung etc. etc. etc. zu bewältigen, lässt das BAG leider offen. Ein solch viel zu kleiner Betriebsrat läuft vielmehr Gefahr, von einer Pflichtverletzung in die nächste zu stolpern. Ob diese Pflichtverletzungen dann angesichts der unangemessenen Größe des Betriebsrates auch als „grobe“ Pflichtverletzung im Sinne des § 23 Abs. 1 BetrVG zu werten sind und daher zur Auflösung des Betriebsrates führen können, ist unklar.
Es bleibt festzuhalten, dass das Bundesarbeitsgericht leider wie so oft an der betrieblichen Wirklichkeit vorbei entscheidet.