20. Mai 2021
Individualarbeitsrecht
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Kürzung des Urlaubsanspruchs

In unserem ersten Mandantenbrief 2021 erörterten wir, wie sich die unterjährige Verkürzung der Arbeitszeit (genauer: Arbeitstage pro Woche) auf den gesetzlichen und übergesetzlichen Urlaubsanspruch auswirkt. Des Weiteren wurden darin die Berechnungsmethoden dargelegt, mit denen die unterjährige Verkürzung der Arbeitszeit umgesetzt wird. Die Verringerung der Arbeitstage pro Woche ist jedoch nur eine Quelle der Kürzung des Urlaubs. Der nachfolgende Beitrag befasst sich mit weiteren Fällen, die diese Rechtsfolge nach sich ziehen bzw. nach sich ziehen können.

Achtung:

Die Unterscheidung zwischen dem gesetzlichen und (übergesetzlich) vertraglichen Urlaubsanspruch ist von höchster Relevanz und sollte bei der Gestaltung von Verträgen stets beachtet werden. Bei fehlender Unterscheidung der Urlaubsansprüche wird der gesamte Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers, dem gesetzlichen Anspruch gleichgestellt.

Grundsätzlich ist es so, dass das BUrlG und die europäische Richtlinie 2003/88 einen gesetzlichen Mindestanspruch von vier Wochen (20 Tage bei einer fünf-Tage-Woche) vorschreibt. Dieser Mindestanspruch kann nicht durch Vertrag, jedoch in den gesetzlich geregelten Fällen gekürzt werden. Der vertragliche Urlaubsanspruch ist eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers und kann daher grundsätzlich in Arbeitsverträgen frei gestaltet werden.

I. Kürzung durch BUrlG

Bereits die grundlegenden Gestaltungen des BUrlG sehen eine „automatische“ Kürzung des Urlaubsanspruchs in § 5 BUrlG vor. Hiernach sind drei Fälle der Kürzung nach dem sog. Zwölftel-Grundsatz denkbar:

1. Nichterfüllung der Wartezeit

Betrachtungszeitraum des BUrlG ist immer das Urlaubsjahr, welches dem Kalenderjahr entspricht. Dementsprechend muss der neu eingestellte Arbeitnehmer innerhalb des Kalenderjahres der Einstellung seine Wartezeit gem. § 4 BUrlG erfüllen, um den vollen Urlaubsanspruch zu erlangen. Dies gelingt schon rein denklogisch nur dann, wenn die Einstellung vor dem 01.07. des jeweiligen Kalenderjahres erfolgt. Erfolgt die Einstellung nach diesem Zeitpunkt, kann die Wartezeit erst im Folgejahr erfüllt werden. An sich hätte der Arbeitnehmer in solchen Fällen gar keinen Anspruch auf Urlaub. Diese Rechtsfolge umgeht das BUrlG indem es dem Arbeitnehmer einen anteiligen Urlaubsanspruch gewährt.

Beginnt das Arbeitsverhältnis z.B. mit dem 01.10. des Jahres steht dem Arbeitnehmer ein Viertel (3/12) des Urlaubsanspruchs zu. Dieser Anspruch besteht übrigens sofort mit Beginn des Arbeitsverhältnisses. Für das Folgejahr entsteht der volle Urlaubsanspruch sodann erst mit dem 01.04. Erst dann ist die Wartezeit vollendet.

2. Ausscheiden vor vollendeter Wartezeit

Eine vergleichbare Situation ergibt sich, wenn der neu eingestellte Arbeitnehmer noch innerhalb der Wartezeit, die gleichzeitig auch die Wartezeit gem. § 1 KSchG darstellt, ausscheidet. In diesem Fall wird für jeden vollen Monat der Beschäftigung ein Zwölftel des Jahresurlaubsanspruchs zugesprochen. Diesen Urlaub wird der Mitarbeiter regelmäßig nicht während der Beschäftigung nehmen. Er wird allerdings einen Abgeltungsanspruch gem. § 7 Abs. 4 BUrlG geltend machen.

3. Ausscheiden vor dem 30.06

Während die ersten genannten Fälle sich mit dem Beginn (und kurzfristigen Ende) des Arbeitsverhältnisses auseinandersetzen, befasst sich der letzte gesetzlich geregelte Fall der Kürzung mit der Beendigung nach Vollendung der Wartezeit.

Hiernach wird eine Kürzung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs für die Fälle vorgesehen, in denen der Arbeitnehmer nach vollendeter Wartezeit und vor dem 01.07 kündigt. Auch in diesen Fällen wird nach Zwölfteln gekürzt. Bei einer Beendigung zum 31.03. des Jahres verbleibt dem Arbeitnehmer also wiederum nur ein Viertel des Jahresurlaubs (3/12). Dies gilt jedoch nur, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub zu diesem Zeitpunkt noch nicht verbraucht hat (§ 5 Abs. 3 BUrlG).

4. Folgen

Aus diesen Regelungen ergeben sich Reflexe, die der Vollständigkeit halber nochmals kurz erwähnt werden sollen:

  • Beginnt das Arbeitsverhältnis vor dem 01.07. und vollendet der AN die Wartezeit, erlangt er den vollen Jahresurlaub. Es findet keine Kürzung statt.
  • Endet das AV nach vollendeter Wartezeit nach dem 30.06 erhält der AN seinen vollen Urlaubsanspruch. Es findet keine Kürzung statt.
  • Hat der AN seinen vollen Jahresurlaub verbraucht und endet das AV vor dem 01.07 kann der AG wegen des Verbrauchs nicht mehr kürzen.


II. Kürzung wg. Elternzeit / Pflegezeit / Wehrdienst

Eine spezialgesetzliche Kürzungsmöglichkeit ergibt sich aus § 17 BEEG. Hier wird – wiederum unter Anwendung des Zwölftel-Grundsatzes – für jeden vollen Monat der Elternzeit eine Kürzung des Urlaubsanspruchs vorgesehen.

Abweichend von § 5 BUrlG kommt es nicht „automatisch“ zu einer Kürzung des Urlaubsanspruchs wegen der Elternzeit. Vielmehr bleibt dem Arbeitgeber die Entscheidung überlassen, ob er eine Kürzung des Urlaubsanspruchs vornehmen möchte. Die Kürzung setzt also die Zustellung einer Willenserklärung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer voraus. Wichtig ist darüber hinaus, dass die besagte Willenserklärung dem Arbeitnehmer noch während des laufenden Arbeitsverhältnisses zugestellt wird. Eine Zustellung nach einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses, auch wenn diese Beendigung während der Elternzeit eintritt, führt nicht mehr zur Kürzung des Urlaubsanspruchs selbst (BAG v. 19.5.2015 – 9 AZR 725/13).

Eine nahezu inhaltsgleiche Regelung findet sich in § 4 Abs. 4 PflegezeitG sowie § 4 Abs. 1 S. 1 ArbeitsplatzschutzG (Wehrdienst), nicht jedoch im Mutterschutzgesetz. Die Zeiten des Mutterschutzes gelten also als Arbeitszeit.

III. Kürzung wg. Kurzarbeit

Eine Besonderheit im Hinblick auf den Bestand des Urlaubsanspruchs ergibt sich in den Fällen, in denen die sogenannte „Kurzarbeit Null“ eingeführt wurde. In diesen Fällen kann der Jahresurlaub proportional um diese Zeiten gekürzt werden (EuGH v. 13.12.2018 – C-385/17). Nach der Rechtsprechung ist es hier schon nicht erforderlich, dass in der Kurzarbeit zugrunde liegenden Vereinbarung (Betriebsvereinbarung, Ergänzung zum Arbeitsvertrag, Tarifvertrag) eine Kürzungsbefugnis vorgesehen wurde. Vielmehr ergibt sich aus der wirksamen Befreiung von der Arbeitspflicht ein Automatismus im Hinblick auf die Kürzung des Urlaubsanspruchs.

Ist die Kurzarbeit auf einzelne Tage der Woche beschränkt, ist so zu verfahren, wie im Fall des Wechsels von einer Vollzeitbeschäftigung zu einer Teilzeitbeschäftigung (siehe Mandanten Brief Januar 2021). Der Urlaub wird also für die fragliche Zeit anteilig heruntergebrochen. Wird über mehrere Monate hinweg jedoch gar nicht gearbeitet, so wird der Zwölftel Grundsatz entsprechend zur Anwendung kommen und zu einer „echten“ Reduzierung des Urlaubsanspruchs führen.

Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass Verdienstkürzungen durch Kurzarbeit nicht bei der Berechnung der Urlaubsvergütung berücksichtigt werden dürfen. Aufgrund des Widerspruchs zum Gesetzestext wird eine unionsrechtskonforme Auslegung vorzunehmen sein.

IV. Kürzung wg. Sabbatical

Ebenfalls denkbar sind Kürzungen der Urlaubsansprüche aufgrund der Vereinbarung einer unbezahlten Abwesenheit des Mitarbeiters (Bayreuther in NZA 2019, S. 945: „Urlaubsrecht – finalisiert“). Diese sogenannten Sabbaticals werden grundsätzlich auf Basis individueller Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorgenommen.

Im Rahmen der Verhandlung und des Abschlusses dieser individuellen Vereinbarung sollte aus Perspektive des Arbeitgebers darauf geachtet werden, dass eine klare und transparente Gestaltung der Urlaubskürzung vorgenommen wird.

V. Kürzung wg. Krankheit

Ebenfalls möglich und grundsätzlich von der Rechtsprechung akzeptiert ist die Kürzung des arbeitsvertraglichen Mehrurlaubs aufgrund von Krankheitszeiten des Arbeitnehmers (BAG v. 15.10.2013 – 9 AZHR 374/12). Dies ergibt sich daraus, dass ausschließlich der gesetzliche Urlaub zwingend durch das Bundesurlaubsgesetz geregelt ist. Gewährt der Arbeitgeber darüber hinaus einen vertraglichen Anspruch auf zusätzliche Urlaubstage, können diese z.B. aufgrund von hohen Krankheitszeiten gekürzt werden.

Wichtig ist jedoch nach der zitierten Rechtsprechung des BAG, dass der Vertragstext klar und transparent wiedergibt, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang eine Kürzung des Urlaubsanspruchs erfolgen kann.

VI. Altersteilzeit

Für die Altersteilzeit im Blockmodell dürften die Grundsätze zur Kürzung bei vollständiger Freistellung ebenfalls gelten, da die Arbeitsverpflichtung einvernehmlich aufgehoben wird. Während der Passivphase der Altersteilzeit dürfte der Arbeitnehmer also keinen Urlaubsanspruch erwerben (LAG Düsseldorf v. 13. Juli 2018, 6 Sa 272/18). Auch hier wird wiederum eine ausdrückliche Regelung empfohlen.

VII. Kürzung mit Beendigung

Die gesetzlichen Regelungen zur Kürzung des Urlaubsanspruchs bei Beginn und Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen nicht zu einer vollumfänglichen Anwendung des Zwölftel-Grundsatzes. Vor diesem Hintergrund sollten arbeitsvertragliche Regelungen so gestaltet werden, dass zum einen eine Unterscheidung zwischen dem gesetzlichen und dem übergesetzlichen Urlaub erfolgt.

Darüber hinaus sollte die Regelung klarstellen, dass im Eintrittsjahr zumindest durchsprechende Kürzungen des übergesetzlichen Urlaubs eine Annäherung an den Zwölftel Grundsatz stattfindet. Für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sollte darüber hinaus festgehalten werden, dass eine Abgeltung des Urlaubsanspruchs gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ausschließlich für den gesetzlichen Urlaubsanspruch gilt und eine Abgeltung des übergesetzlichen Urlaubsanspruchs nicht infrage kommt.

VIII. Fazit

Es zeigt sich somit, dass der Arbeitgeber nur wenige Eingriffsmöglichkeiten mit Blick auf den Urlaub der Arbeitnehmer hat. Die größten Erfolgsaussichten ergeben sich im Hinblick den übergesetzlichen Urlaubsanspruch, welcher durch entsprechende Vertragsklauseln gestaltet werden sollte.

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