05. April 2023
Kündigungsrecht
Autor Dominic Wallenstein
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Partybesuch während AU kann außerordentliche Kündigung rechtfertigen

„Meldet sich eine Arbeitnehmerin bei ihrem Arbeitgeber für zwei Tage krank und nimmt an einer „White Night Ibiza Party“ teil, ist von einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit auszugehen. Eine dies stützende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist unglaubhaft und ohne Beweiswert.“ (ArbG Siegburg 5 Ca 1200/22) 

so der Leitsatz des Arbeitsgerichts Siegburg. 

Im entschiedenen Fall meldete sich eine Arbeitnehmerin für den Spätdienst an einem Samstag und Sonntag krank. Am folgenden Montag reichte sie beim Arbeitgeber eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Onlineanbieters ein. In der Folgezeit tauchten sowohl im WhatsApp-Status der Arbeitnehmerin, als auch auf der Homepage des Partyveranstalters Fotos der Arbeitnehmerin von einer „White Night Ibiza Party“ an dem Samstag auf, an dem sie sich krankmeldete. Dieses bekamen verschiedene Arbeitskollegen mit. Nachdem die Information die Personalleitung erreichte, leite diese das Kündigungsverfahren ein und kündigte das Arbeitsverhältnis sodann außerordentlich fristlos. 

Im Laufe des Prozesses berief sich die Arbeitnehmerin auf eine psychische Erkrankung, welche sie an den beiden Tagen zwar arbeitsunfähig erkranken lies, sie aber nicht an der Teilnahme an der „White Night Ibiza Party“ hinderte. Der Entschluss, an der Party teilzunehmen, sei nicht geplant gewesen, sondern habe sich spontan gegen 0:45 Uhr ergeben.  

 

Das Arbeitsgericht Siegburg wies die Klage ab und bestätigte die ausgesprochene außerordentliche fristlose Kündigung.

Besonders beachtlich ist, dass das Arbeitsgericht Siegburg vorliegend nicht lediglich die Verdachtskündigung, sondern die Tatkündigung bestätigte.  

Grundsätzlich geht die Rechtsprechung davon aus, dass eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit als Entgeltfortzahlungsbetrug eine außerordentliche fristlose Kündigung trägt, da durch den Betrugstatbestand das für ein Arbeitsverhältnis benötigte Vertrauensverhältnis unwiederbringlich zerstört ist. Der Arbeitgeber muss im Fall einer Tatkündigung die dem Kündigungsgrund zugrunde liegenden objektiven Umstände, also den Entgeltfortzahlungsbetrug beweisen.  

Vielen Arbeitgeber scheuen gerade bei kurzen Arbeitsunfähigkeitszeiträumen vor einer Kündigung zurück, auch wenn sie belastende Informationen erhalten, welche einen Entgeltfortzahlungsbetrug nahelegen. Hier bestehen regelmäßig Bedenken, dass sich der Arbeitnehmer auf eine „psychische Erkrankung“ beruft, dessen Nichtvorliegen nur schwer oder gar nicht bewiesen werden kann. Diese Bedenken sollten Arbeitgeber allerdings nicht davon abhalten, ihre Rechte durchzusetzen und ein Arbeitsverhältnis mit einem betrügerisch agierenden Arbeitnehmer zu beenden. 

Die Beweislast für das Vorliegen der einer Kündigung zugrunde liegenden Gründe trägt zwar grundsätzlich der Arbeitgeber, jedoch muss beachtet werden, dass der Arbeitnehmer im Fall der Geltendmachung eines Entgeltfortzahlungsanspruchs im Fall einer Arbeitsunfähigkeit zunächst die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs beweisen muss. Diese Beweislast trifft ihn zwar nicht primär im Kündigungsschutzprozess, jedoch spielt diese eine zentrale Rolle.  

Wenn dem Arbeitnehmer schon nicht gelingt, die der angeblichen Erkrankung zugrunde liegenden Umstände zu beweisen, liegt der Entgeltfortzahlungsbetrug auf der Hand, wenn der Arbeitgeber wiederum objektiv darlegen kann, dass der Arbeitnehmer offensichtlich bester Gesundheit war. 

Das Arbeitsgericht Siegburg begründete seine Entscheidung folgerichtig damit, dass es zur Überzeugung des Gerichts die Klägerin auf den Partybildern des Veranstalters während der angeblich bestehenden Arbeitsunfähigkeit „bester Laune und wie ersichtlich bei bester Gesundheit an der „White Night Ibiza Party“ teilgenommen hat“. Aus den Gesamtumständen ergebe sich, dass der Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeit erschüttert ist und die Klägerin bezüglich ihrer Arbeitsunfähigkeit beweisbelastet bleibt. Die Klägerin müsse daher der vollen Beweislast nachkommen und darlegen, dass sie tatsächlich arbeitsunfähig an den Tagen erkrankt war und somit berechtigterweise der Arbeit ferngeblieben ist.  

Dies gelang der Klägerin nicht. Erschwerend wurde berücksichtigt, dass die Klägerin einem Zeugen gegenüber äußerte, dass sie sich fiebrig gefühlt habe, was angesichts der Fotos widerlegt sei. Auf den Grund für die Lüge kommt es nicht an, „gelogen ist gelogen“ so das Arbeitsgericht Siegburg.  

Die Klägerin konnte im Prozess nicht ansatzweise erklären, wie es sein kann, dass sie während der angeblichen Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer „psychischen Erkrankung“ arbeitsunfähig gewesen sein soll, aber zugleich kurzfristig entschlossen an der „White Night Ibiza Party“ teilzunehmen konnte.  

Darüber hinaus war für das Gericht nicht ansatzweise nachvollziehbar, wie der die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellende Arzt zu der Annahme gelangt sein soll, dass die Klägerin lediglich an zwei Tagen, nämlich genau denen, an denen sie an der „White Night Ibiza Party“ teilnehmen wollte, aufgrund einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig erkrankt sein soll, während sie am Folgetag tatsächlich wieder arbeitsfähig war. Derartige kurzfristige psychische Erkrankungen gebe es nicht, beurteilte das Arbeitsgericht. Ausgeschlossen ist, dass ein Facharzt für psychische Erkrankungen bei einer ordnungsgemäßen Untersuchung und der Feststellung einer tatsächlichen psychischen Erkrankung die Klägerin an einem Tag, an dem sie gesund ist, rückwirkend für zwei Tage krankgeschrieben hätte, ohne weitere therapeutische Schritte zu unternehmen. Wie einfach es sei, sich krankschreiben zu lassen, sei gerichtsbekannt. 

Dass die Klägerin tatsächlich nicht an einer psychischen Erkrankung litt, ergebe sich für das erkennende Gericht auch daraus, dass die Klägerin nach den streitgegenständlichen Vorfällen nicht weiter therapiert wurde. 

Fazit 

Im Ergebnis stärkt die Entscheidung des Arbeitsgerichts Siegburg die Position der Arbeitgeber in Fällen der vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit und schließt sich insoweit der jüngeren Rechtsprechung an. 

Arbeitgeber können also in Fällen, in denen objektive Tatsachen dafür sprechen, dass ein „arbeitsunfähiger“ Arbeitnehmer seine Erkrankung nur vortäuscht, nicht nur an den vorläufigen Einbehalt der Entgeltfortzahlung nach § 7 EFZG denken, sondern können das auf der Hand liegende betrügerische Verhalten der Arbeitnehmer auch mit einer (außerordentlichen) Kündigung sanktionieren. Es ist sodann Sache des Arbeitnehmers, sich im Kündigungsschutzprozess durch den Beweis der tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit zu entlasten.  

Hier müssen die Arbeitgeber, jedenfalls im Fall von kurzfristigen und kurzzeitigen Zeiträumen, auch nicht pauschal befürchten, dass sich die Arbeitnehmer auf eine irgendwie geartete psychische Erkrankung aufgrund betrieblicher Umstände berufen. Derartige kurzandauernde Erkrankungen werden nicht pauschal akzeptiert, sondern bedürfen einer genauen Darlegung durch die behandelnden Ärzte. Wie das Arbeitsgericht Siegburg gut herausgearbeitet hat, sind auch die weiteren Umstände, wie fehlende weiterführende Therapiemaßnahmen ein Indiz für eine Täuschungshandlung. 

Im Ergebnis ist zu unterstreichen, dass Arbeitgeber im Fall der Duldung derartiger Vorfälle auch eine Signalwirkung in die Belegschaft senden. Wenn ein paar Tage zusätzlich frei nicht ins Gewicht fallen, machen derartige Machenschaften Schule. So bewertete das Arbeitsgericht Siegburg im Rahmen der Interessenabwägung genau diesen Punkt zu Gunsten des Arbeitgebers. Die aus einer solchen Kündigung hervorgehende Signalwirkung an andere Arbeitnehmer wurde zugunsten des Kündigungsinteresses des Arbeitgebers bewertet. 

Über den Autor

Herr Wallenstein ist als Rechtsanwalt am Karlsruher Standort der Sozietät Dr. Schreiner + Partner tätig.

Er absolvierte sein Studium der Rechtswissenschaften an der Philipps-Universität Marburg und der Universität Bielefeld.

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