18. Juni 2025
Individualarbeitsrecht, Arbeits- und Gesundheitsschutz
Autor Chiara Herrmann
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Sommerliche Hitze am Arbeitsplatz – was ist arbeitsrechtlich zu beachten

Die steigenden Temperaturen im Sommer schaffen Urlaubsstimmung, können jedoch sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber vor Herausforderungen stellen. Hohe Außentemperaturen können nicht nur das Wohlbefinden beeinträchtigen, sondern auch die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter mindern. Es liegt daher im Interesse des Arbeitgebers, den Arbeitsplatz so zu gestalten, dass die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter nicht beeinträchtigt wird. Dies wird unter anderem als Ausprägung der allg. Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ggü. dem Arbeitnehmer durch §618 BGB geregelt. Gem. §618 Abs.1 BGB hat der Ar­beit­ge­ber Räu­me, Vor­rich­tun­gen oder Ge­rät­schaf­ten, die er zur Ver­rich­tung der Diens­te zu be­schaf­fen hat, so ein­zu­rich­ten und zu un­ter­hal­ten und Dienst­leis­tun­gen, die un­ter sei­ner An­ord­nung oder sei­ner Lei­tung vor­zu­neh­men sind, so zu re­geln, dass der Ar­beit­neh­mer ge­gen Ge­fahren für Le­ben und Ge­sund­heit ge­schützt ist.

Welche Maßnahmen sind also notwendig, um die Auswirkungen der Sommerhitze zu mildern? Welche Vorgaben gibt es, die Arbeitgeber einhalten sollten, und welche Konsequenzen können dem Arbeitgeber bei Nichteinhaltung drohen?

Die Aufforderung an den Arbeitgeber, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, kann zu Konflikten führen, die das Betriebsklima negativ beeinflussen können. In diesem Artikel wird ein Blick auf rechtliche Bestimmungen sowie praktische Lösungen geworfen, die Arbeitgeber dabei unterstützen, auch an heißen Tagen einen erträglichen Arbeitsplatz zu schaffen.

 

Arbeitsschutzrechtlicher Rahmen

Gemäß der arbeitsschutzrechtlichen Generalklausel des § 3 Abs.1 ArbSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen.

Näheres in diesem Zusammenhang ist in der auf Grund des § 18 ArbSchG erlassene Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) zu finden, deren § 3a Abs.1, S.1 eine generelle Regelung zur Einrichtung und dem Betreiben von Arbeitsstätten enthält, die vor allem im Anhang der Verordnung konkretisiert wird. Nach § 3a Abs.1, S.2 ArbStättV hat der Arbeitgeber die „Technischen Regeln für Arbeitsstätten“ (ASR) zu berücksichtigen. Die Arbeitsstätten-Regeln sind rechtlich nicht bindend, sondern stellen eine arbeitswissenschaftliche Empfehlung dar. Werden die Anforderungen beachtet und erfüllt, gilt dies als Vermutung, dass die Arbeitsstättenverordnung eingehalten wird. Der Arbeitgeber kann von den Vorgaben auch abweichen, muss dann aber Maßnahmen ergreifen, die die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz bieten (§ 3a Abs.1, S.3 und 4 ArbStättV).

 

Technische Regeln für Arbeitsstätten (ASR) A3.5 „Raumtemperatur“

Nach Ziff. 3.5 des Anhangs zur ArbStättV muss in Arbeitsräumen, in denen aus betriebstechnischer Sicht keine spezifischen Anforderungen an die Raumtemperatur gestellt werden, während der Arbeitszeit unter Berücksichtigung der Arbeitsverfahren, der körperlichen Beanspruchung und des spezifischen Nutzungszwecks des Raumes eine gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur bestehen. Dies wird in den „ASR A3.5“ konkretisiert.

Das Regelwerk unterscheidet bei den zu ergreifenden Maßnahmen je nach Lufttemperatur im Betrieb. Laut Ziffer 4.2 Abs. 3 der ASR A3.5 darf die Lufttemperatur in Arbeitsräumen 26 °C nicht überschreiten. Verwendet der Arbeitgeber geeignete Sonnenschutzmaßnahmen, soll er, wenn sowohl die Außenlufttemperatur als auch die Raumlufttemperatur 26° C übersteigt, weitere Maßnahmen ergreifen. Das Regelwerk führt hierfür beispielhaft folgende Maßnahmen auf:

  • Effektive Steuerung des Sonnenschutzes (z.B. Jalousien auch nach der Arbeitszeit geschlossen halten)
  • Effektive Steuerung der Lüftungseinrichtungen (z.B. Nachtauskühlung)
  • Lüftung in den frühen Morgenstunden
  • Nutzung von Gleitzeitregelung zur Arbeitszeitverlagerung
  • Lockerung der Bekleidungsregelungen
  • Bereitstellung geeigneter Getränke

 

Bei Überschreitung der Lufttemperatur im Arbeitsraum von 30 °C, müssen (nicht „sollen”) wirksame Maßnahmen, wie die vorstehenden, ergriffen werden.

Wird schließlich die Lufttemperatur im Raum von 35 °C überschritten, so ist nach Ziffer 4.4 Absatz 3 ASR A3.5 der Raum für die Zeit der Überschreitung ohne technische Maßnahmen (z.B. Luftduschen, Wasserschleier), organisatorische Maßnahmen (z.B. Entwärmungsphasen) oder persönliche Schutzausrüstungen (z.B. Hitzeschutzkleidung) nicht als Arbeitsraum geeignet. Arbeitnehmer dürfen in einem solchen Raum nur dann tätig werden, wenn es sich um sog. Hitzearbeit handelt, wozu bspw. die Tätigkeiten von Schmelzern und Eisengießern gehört.

 

Sonderfall Home-Office

Dabei ist zunächst zwischen der Telearbeit und dem mobilen Arbeiten zu unterscheiden.

Bei der Telearbeit richtet der Arbeitgeber den Arbeitsplatz ein und ist für den Arbeitsschutz, einschließlich der angemessenen Temperatur, verantwortlich. Im Fall des mobilen Arbeitens hingegen kann der Arbeitnehmer selbst entscheiden, an welchem Ort er arbeitet und trägt daher auch die Verantwortung für die Rahmenbedingungen, einschließlich der Temperatur.

 

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats

In Betrieben mit Betriebsrat besteht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (Gefährdungsanalyse) ein Mitbestimmungs- und Initiativrecht über Regelungen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie zum Gesundheitsschutz. Es besteht damit u.a. im Rahmen des Initiativrechts auch die Möglichkeit freiwillige Betriebsvereinbarungen gemäß § 88 Nr.1 Abs.1 BetrVG zu schließen, in denen Maßnahmen zur Abhilfe bei Hitzerekorden geregelt werden.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat der Betriebsrat nach § 87 Abs.1 Nr.7 BetrVG bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen, die der Arbeitgeber zwar aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift zu treffen hat, bei deren Gestaltung ihm aber Handlungsspielräume verbleiben.

Bei § 3a ArbStättVO handelt es sich um eine solche Rahmenvorschrift, die dem Arbeitgeber keine konkreten Maßnahmen vorschreibt. Auch die technische Regel für Arbeitsstätten (ASR) A 3.5. „Raumtemperatur“, auf die in § 3a ArbStättVO hingewiesen wird, schreibt dem Arbeitgeber nicht konkret vor, welche Maßnahme, sondern nur, dass Maßnahmen bei der Überschreitung bestimmter Raumtemperaturen zu ergreifen sind.

Mitzubestimmen hat der Betriebsrat bei der Ausfüllung dieses Spielraums. Dadurch soll im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer eine möglichst effiziente Umsetzung des gesetzlichen Arbeitsschutzes im Betrieb erreicht werden. Das Mitbestimmungsrecht setzt ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und wegen Fehlens einer zwingenden Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen. Ob die Rahmenvorschrift dem Gesundheitsschutz mittelbar oder unmittelbar dient, ist unerheblich (BAG, Beschluss vom 08.06.2004, Az.: 1 ABR 13/03).

Ausgeschlossen ist das Mitbestimmungsrecht aber dann, wenn es schon eine mitbestimmte Regelung gibt (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 01.10.2013, Az.: 1 TaBV 33/13).

Hitzebedingte Maßnahmen können zudem auch Mitbestimmungsrechte nach anderen Vorschriften auslösen, wie beispielsweise bei der Anpassung von Kleidungsvorschriften gemäß 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG oder bei Arbeitszeitregelungen gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.

 

Praxishinweis

Die Nichtbeachtung der Arbeitsstättenverordnung kann zu Bußgeldern bis zu 30.000 Euro führen, sodass die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften für Arbeitgeber von großer Bedeutung ist, um nicht nur die Gesundheit der Mitarbeiter zu schützen, sondern auch finanzielle Risiken und rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.

Daneben gilt grundsätzlich, dass Arbeitnehmer – auch bei hohen Temperaturen – nicht eigenmächtig „hitzefrei“ nehmen dürfen. Ein solches Verhalten stellt einen Verstoß gegen den Arbeitsvertrag dar, der Arbeitgeber zu einer Abmahnung und im Wiederholungsfall sogar zur Kündigung berechtigt. Eine praktikable Lösung besteht häufig darin, an heißen Tagen den Arbeitsbeginn vorzuverlegen, um die aufgeheizten Räumlichkeiten am Nachmittag früher verlassen zu können.

Um die sommerlichen Herausforderungen effektiv zu bewältigen, kann es sinnvoll sein, präventive Maßnahmen zu ergreifen. Benötigen Sie eine Betriebsvereinbarung, die darauf abzielt, die zusätzliche Belastung der Beschäftigten aufgrund der auftretenden Hitze in den Arbeitsräumen durch bestimmte Maßnahmen zu verringern, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Über den Autor

Chiara Herrmann ist als juristische Mitarbeiterin am Standort Dresden tätig.

Sie absolvierte ihr Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Leipzig. Das dem Studium anschließende Referendariat durchlief sie im Gerichtsbezirk des Oberlandesgerichts Dresden beim Landgericht Dresden.

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