Manche Mitarbeitende nehmen das Konzept der „Work-Life-Balance“ allzu wörtlich – und legen den Arbeitsschwerpunkt kurzerhand auf das „Life“. So auch ein Fahrkartenkontrolleur, der lieber zum Friseur als zur Fahrgastkontrolle ging. Das LAG Köln hatte darüber zu entscheiden, ob der Arbeitgeber nicht nur kündigen durfte, sondern auch die saftigen Detektivkosten erstattet bekommt – und bestätigte beides. Doch was bedeutet das für andere Fälle, in denen Arbeitgeber den berechtigten Verdacht auf Blaumachen oder Arbeitszeitbetrug haben?
Der Einsatz von Privatdetektiven ist rechtlich möglich, aber keineswegs risikofrei. Zwischen berechtigtem Interesse und Datenschutz lauert ein komplexes Feld, in dem Arbeitgeber nicht nur detektivischen Spürsinn, sondern auch juristisches Fingerspitzengefühl benötigen. Dieser Beitrag beleuchtet aktuelle Rechtsprechung, gibt praktische Hinweise und zeigt, warum man bei der Observation von Mitarbeitern mehr als nur eine Lupe braucht…
Fahrkartenkontrolle auf Abwegen
Das Landesarbeitsgericht Köln hatte jüngst einen besonders plastischen Fall zu entscheiden (Urteil vom 11.02.2025 – 7 Sa 635/23). Ein Fahrkartenkontrolleur verbrachte während seiner Schicht auffällig viel Zeit bei seiner Freundin, beim Friseur, in Cafés und – nicht zu vergessen – bei einem privaten Fotoshooting am Rheinufer. Ganze 26 Stunden „vermisster Arbeitszeit“ sammelten sich innerhalb weniger Wochen an. Die Konsequenz: fristlose Kündigung – und ein saftiges Detektivhonorar von über 21.000 Euro, das der Ex-Mitarbeiter nun selbst zahlen muss. Dies stellt für den Mitarbeiter fast ein Jahresgehalt netto dar.
Das Gericht stellte fest: Wer während der Arbeitszeit privaten Aktivitäten nachgeht, missbraucht das Vertrauen des Arbeitgebers in schwerwiegender Weise. Arbeitszeitbetrug sei damit ein hinreichender Grund für eine außerordentliche Kündigung. Besonders pikant: Der Arbeitnehmer berief sich auf ein angeblich fehlerhaftes Zeiterfassungssystem – konnte dies jedoch nicht überzeugend belegen. Die Richter hielten fest: „Es ist auszuschließen, dass er in der Wohnung seiner Freundin Fahrkarten kontrolliert hat-“ Die betrifft wohl zumindest nicht die der Fahrgäste. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die Entscheidung auf den Umständen des vorliegenden Einzelfalls beruht.
Detektiveinsatz ja – aber bitte mit Datenschutz
Was der Fall ebenfalls zeigt: Der Einsatz eines Privatdetektivs kann nicht nur zur Aufdeckung des Fehlverhaltens beitragen, sondern auch finanzielle Folgen für den Arbeitnehmer haben. Das LAG Köln bejahte die Erstattungsfähigkeit der Detektivkosten – kein „Orwell’scher Überwachungsstaat“, sondern vorliegend eine zulässige Aufklärung bei begründetem Verdacht.
Etwas diffiziler gestaltet sich die Lage, wenn Mitarbeitende mit ärztlichem Attest krankgeschrieben sind, sich aber gleichzeitig putzmunter auf Social Media oder beim Tennis zeigen. Hier wird der Einsatz von Detektiven schnell zum datenschutzrechtlichen Minenfeld. Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 25.07.2024 – 8 AZR 225/23) hat klargestellt: Ein solcher Eingriff ist nur zulässig, wenn der Beweiswert der AU-Bescheinigung nachweislich erschüttert ist – z. B. durch widersprüchliches Verhalten –, ein konkreter Straftatverdacht vorliegt und andere mildere Mittel (etwa der Medizinische Dienst) nicht weiterhelfen.
Die Dokumentation des „sichtbaren Gesundheitszustands“ eines Arbeitnehmers sei datenschutzrechtlich höchst sensibel – immerhin geht es hier um Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 DSGVO. Wer also Detektive auf angeblich kranke Mitarbeitende ansetzt, ohne diese Voraussetzungen zu erfüllen, riskiert nicht nur Imageschäden, sondern auch Bußgelder (bis zu 4 % des Jahresumsatzes) und Schadenersatzklagen (hier: 1.500 €).
Das Bundesarbeitsgericht stellte klar: Die Observation ist nur dann zulässig, wenn der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ernsthaft erschüttert ist. Und selbst dann gilt: Gibt es mildere Mittel, muss auf den Detektiv verzichtet werden. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen bleibt der bevorzugte erste Schritt – auch wenn seine Reaktionszeiten nicht immer mit unternehmerischem Tempo mithalten.
Allerdings ist ebenfalls zu beachten, dass der Grundsatz „Datenschutz ist kein Tatenschutz“ weiterhin gilt und die Erkenntnisse aus dem datenschutzwidrigen Detektiveinsatz gleichwohl verwertbar sein können. Nach der Entscheidung des BAG vom 29.06.2023 (2 AZR 296/22) wird es bei der Überwachung weiterhin und vor allem auf eine Abwägung der Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers ankommen. Hier war ein Mitarbeiter mittels offener Videoüberwachung dabei gefilmt worden, als er Minuten nach dem Einstempeln wieder das Betriebsgelände verließ. Das BAG stellte zwar einen Datenschutzverstoß fest, ließ aber mangels schwerwiegenden Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters die Videoaufnahmen als Beweismittel zu.
Zwischen Ermittlung und Ermahnung: Was Arbeitgeber beachten sollten
Die aktuellen Fälle zeigen: Arbeitgeber sind nicht schutzlos – aber auch nicht grenzenlos handlungsfrei. Wer Verdachtsmomente hat, sollte diese sorgfältig dokumentieren, Detektive nur als letztes Mittel einsetzen und dabei datenschutzrechtlich auf der sicheren Seite bleiben. Das bedeutet:
- Nur bei konkretem Tatverdacht: Detektiveinsatz rechtfertigt sich nicht durch Bauchgefühl, sondern durch belegbare Hinweise.
- Verhältnismäßigkeit wahren: Observation nur in öffentlichen Räumen, zu Schichtzeiten und möglichst kurz halten.
- Datenschutz ernst nehmen: Datenschutzbeauftragte einbinden, Dokumentation führen und die Informationspflicht aus Art. 14 DSGVO beachten (mit Verweis auf mögliche Ausnahmen bei verdeckter Überwachung). Es gilt der Grundsatz der Datensparsamkeit.
- Alternativen prüfen: Besonders bei AU-Zweifeln sollte der MDK immer zuerst geprüft werden, bevor James Bond zum Einsatz kommt.
Damit der Einsatz von Privatdetektiven nicht selbst zum Problem wird, empfehlen sich einige praktische Maßnahmen:
- Dokumentation: Der Verdacht muss konkret sein und sauber dokumentiert werden.
- Verhältnismäßigkeit prüfen: Gibt es mildere Mittel? Kann der Verdacht anderweitig untersucht oder geprüft werden?
- Datenschutz prüfen: Der Datenschutzbeauftragte sollte frühzeitig involviert sein.
Fazit: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist teuer – zwischen Misstrauen und Maßhalten
Ob Krankfeiern mit Latte Macchiato oder Fahrkartenkontrolle vom Sofa aus – der Grat zwischen berechtigtem Verdacht und unzulässiger Überwachung ist schmal. Arbeitgeber sollten sich nicht allein auf ihren Spürsinn verlassen, sondern rechtlich fundiert vorgehen. Und wenn es wirklich einen Detektiv braucht, dann am besten nur mit gut gefüllter Beweisakte und sorgfältig dokumentiertem und im Streitfall nachweisbarem Verdacht.
Der moderne Arbeitgeber ist nicht zwangsläufig ein Überwacher – aber auch kein blauäugiger Zuschauer. Die Gerichte geben klare Linien vor, wann ein Verdacht ermittelt und wie er nachgewiesen werden darf. Zwischen Bagatelle und Betrug bleibt dabei wenig Raum für Spielchen – und erst recht keiner für private Fotosessions während der Schicht.
Wer als Arbeitgeber auf Nummer sicher gehen will, braucht neben gesundem Menschenverstand auch ein gutes Verständnis für Datenschutz und Dokumentationserfordernissen. Und wer als Arbeitnehmer meint, man könne Arbeitszeit im Café oder auf dem Friseurstuhl verbringen, sollte sich künftig vielleicht lieber um einen Job als Produkttester bewerben.