10. März 2021
Arbeitsrecht und Pandemie
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Keine Beschäftigung ohne Maske

Das Arbeitsgericht Siegburg hatte sich in der Entscheidung vom 16.12.2020 (Az. 4 Ga 18/20) mit folgendem Sachverhalt hinsichtlich der Anordnung einer Maskenpflicht im Rathaus zu beschäftigen:

I. Sachverhalt

Der Kläger ist bei der Beklagten als Verwaltungsmitarbeiter im Rathaus beschäftigt. Er arbeitet zu etwa 70 – 80 % im Büro und die restliche Zeit im Außendienst. Mit Schreiben vom 06.05.2020 hat die Beklagte mit Wirkung zum 11.05.2020 in den Räumlichkeiten des Rathauses das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung für Besucher und Beschäftigte angeordnet. Daraufhin hat der Kläger ein ärztliches Attest vom 08.05.2020 vorgelegt, in dem es heißt:

„Herr XY ist heute von mir untersucht worden. Aufgrund einer Erkrankung ist er vom Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes befreit.“

Die Beklagte wies den Kläger daher an, ein Gesichtsvisier beim Betreten des Rathauses und bei Gängen über die Flure und in Gemeinschaftsräumen zu tragen. Hierauf legte der Kläger ein neues Attest vor, das ihn wiederum ohne Angabe von Gründen von der Pflicht zum Tragen von Gesichtsvisieren jeglicher Art befreit. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 13.11.2020 mit, sie halte an der Dienstanweisung fest, sodass der Kläger ein Gesichtsvisier tragen müsse. Eine Beschäftigung ohne Gesichtsvisier oder Mund-Nasen-Schutz lehnte die Beklagte ab.

Mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrt der Kläger im Eilverfahren seine Beschäftigung im Rathaus ohne Gesichtsbedeckung. Alternativ wollte er im Home-Office beschäftigt werden.

II. Entscheidungsgründe

Das Arbeitsgericht Siegburg hat den Antrag des Klägers abgewiesen. Der Gesundheits- und Infektionsschutz aller Mitarbeiter und Besucher des Rathauses überwiegt das Interesse des Klägers an einer Beschäftigung ohne Gesichtsvisier oder Mund-Nasen-Bedeckung.

Dem Beschäftigungsanspruch des Klägers steht das ordnungsgemäß ausgeübte Direktionsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 Abs. 1 GewO entgegen sowie der Gesundheit- und Infektionsschutz und die daraus resultierende Pflicht des Arbeitgebers, aufgrund der derzeitigen Pandemielage, seine Arbeitnehmer zum Tragen einer Maske anzuhalten. Das Arbeitsgericht Siegburg hat die maßgebliche Rechtspflicht für den Arbeitgeber zur Einführung einer solchen Maskenpflicht im Betrieb auf die Fürsorgepflicht gemäß § 618 BGB gestützt und klargestellt, dass der Arbeitgeber im Rahmen dieser Fürsorgepflicht zu Schutzmaßnahmen gegenüber seinen Arbeitnehmern verpflichtet ist. Die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften konkretisieren diese Schutzmaßnahmen, sodass der Arbeitgeber verpflichtet ist, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen, um die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit zu gewährleisten. Hieraus zieht das Arbeitsgericht Siegburg den Schluss, dass der Arbeitgeber in der gegenwärtigen Pandemielage sicherzustellen hat, dass die Arbeitnehmer an ihren Arbeitsplätzen einem nur geringen bis gar keinem Infektionsrisiko ausgesetzt werden. Zudem war bereits im fraglichen Zeitraum aufgrund der Corona-Schutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen eine Maskenpflicht in geschlossenen Räumen, also auch in Büroräumen angeordnet und bereits im Sommer waren zur Begrenzung des Infektionsrisikos die praktischen Handlungsempfehlungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales heranzuziehen.

Der Kläger hat vorliegend auch nicht glaubhaft gemacht, dass medizinische Gründe vorliegen, die eine Befreiung von der Maskenpflicht in den Räumlichkeiten des Rathauses rechtfertigen würden. Die Vorlage eines Attests zur Befreiung von Maskenpflicht ist rechtlich nicht vergleichbar mit der Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gegenüber dem Arbeitgeber, der ein hoher Beweiswert zukommt. Der Arbeitnehmer versucht mithilfe der ärztlichen Bescheinigungen einen rechtlichen Vorteil zu erwirken, nämlich die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Betreten des Rathauses ohne jegliche Gesichtsbedeckung. Der Arbeitgeber muss daher aufgrund konkreter und nachvollziehbarer Angaben in den ärztlichen Bescheinigungen in die Lage versetzt werden, das Vorliegen der jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen selbständig prüfen zu können. Vorliegend sah das Gericht erhebliche Zweifel daran, dass der Kläger ein Gesichtsvisier nicht einmal für wenige Minuten auf der Toilette oder im Flur tragen kann.

Auch ein Anspruch auf einen Arbeitsplatz im Home-Office besteht nicht. Eine solche Anspruchsgrundlage sah das Arbeitsgericht Siegburg weder im Arbeitsvertrag noch in gesetzlichen oder tariflichen Vorschriften.

III. Fazit

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Siegburg ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass in den meisten Verordnungen der Länder nunmehr ausdrücklich angegeben ist, dass für eine Befreiung von der Maskenpflicht glaubhaft gemacht werden muss, aus welchem Grund das Tragen einer Maske unzumutbar ist. So verlangt die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung etwa die Angabe der konkreten Diagnose sowie die Erläuterung von Gründen, warum deshalb das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht zumutbar ist. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass das Arbeitsgericht Siegburg ausdrücklich festgehalten hat, dass auch gegenüber dem Arbeitgeber ein begründetes Attest vorliegen muss und gerade keine vergleichbare Situation mit der Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegt. In der Praxis ist daher zu beachten, dass Mitarbeiter nur dann von der Maskenpflicht befreit sind, wenn das vorgelegte Attest geeignet ist, den Sachverhalt zu überprüfen und die Befreiung somit hinreichend glaubhaft gemacht ist.

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