10. November 2022
Kündigungsrecht
Autor Dr. jur. Daniel Quast LL.M.
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Gefälschter Impfausweises und fristlose Kündigung

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hatte den Fall zu entscheiden, ob die Vorlage eines gefälschten Impfausweises eine fristlose Kündigung rechtfertigt (ArbG Düsseldorf, Urteil vom 18.02.2022, Az.: 11 Ca 5388/21)

 

Amtlicher Leitsatz:

Die Vorlage einer Kopie eines gefälschten Impfausweises in der Absicht, über die Erfüllung der Nachweispflicht des § 28b Abs. 1 lfSG zu täuschen, ist geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darzustellen.

Sachverhalt

Gemäß § 28b Abs. 1 IfSG in der ab dem 24.11.2021 geltenden Fassung durften Beschäftigte Arbeitsstätten nur betreten, wenn sie geimpft, genesen oder getestet waren und einen Impfnachweis, einen Genesenennachweis oder einen Testnachweis mit sich führten, zur Kontrolle verfügbar hielten oder bei dem Arbeitgeber hinterlegt hatten (diese Regelung ist mit Ablauf des 19.03.2022 zwischenzeitlich aufgehoben worden).

In dem vorliegenden Verfahren legte der Arbeitnehmer, der seit dem 01.04.2013 bei dem Arbeitgeber beschäftigt war, diesem am 23.11.2021 eine Kopie seines Impfausweises vor, nach dem der Kläger angeblich über einen seinerzeit vollständigen Impfschutz verfügen sollte. Als Impfdaten waren der 06.03.2021 und der 28.05.2021 eingetragen. Bei einer Überprüfung des Impfausweises ergab sich der Verdacht, dass der Impfausweis des Arbeitnehmers gefälscht sein könnte, da die im Impfausweis eingetragenen Impfstoffchargen („Comirnaty Ch.-B.: EJ796“ und „Comirnaty Ch. B.: EW 8904“) ebenso bei einem weiteren Mitarbeiter eingetragen waren, bei diesem die Impfungen allerdings am 20.03.2021 sowie am 31.05.2021 durchgeführt worden sein sollen. Vom Arbeitgeber wurde sodann die Polizei hinzugezogen. Am 30.11.2021 hörte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu dem Verdacht an. Der Arbeitnehmer gab dabei an, dass der Ausweis nicht gefälscht und er mit Moderna geimpft sei. Im Impfausweis wurde dagegen der Impfstoff Comirnaty von BioNTech/Pfizer ausgewiesen. Durch Schreiben vom 30.11.2021 wurde das Arbeitsverhältnis daraufhin vom Arbeitgeber außerordentlich, hilfsweise ordentlich gekündigt.

Durch das vorliegende Verfahren legte der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung ein.

Die Entscheidung des ArbG Düsseldorf

Die zulässige Klage des Arbeitnehmers hatte keinen Erfolg.

Nach Auffassung des ArbG Düsseldorf sei die außerordentliche, fristlose Kündigung vom 30.11.2021 wirksam. Die Kündigung sei aus wichtigem Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB erfolgt und die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB durch den Arbeitgeber eingehalten worden.

Die Vorlage einer Kopie eines gefälschten Impfausweises in der Absicht, über die Erfüllung der Nachweispflicht aus § 28 b Abs. 1 IfSG zu täuschen, sei „an sich“ geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, selbst wenn die Handlung zum damaligen Zeitpunkt noch nicht strafbar war. Die Einordnung einer Handlung als Straftat sei jedoch nicht ausschlaggebend für die Frage, ob der Sachverhalt „an sich“ objektiv geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Die Vorlage eines gefälschten Impfausweises in der Absicht, die Nachweispflicht des § 28 b Abs. 1 IfSG zu umgehen, stelle die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht dar, da die Verwendung von gefälschten Impfausweisen in der derzeitigen Pandemielage erhebliche Gefahren für den Gesundheitsschutz Dritter mit sich bringen könne.

Auch die Interessenabwägung falle zu Lasten des Arbeitnehmers aus; dem Arbeitgeber sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nicht bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar. Auch eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen. Eine Abmahnung sei entbehrlich, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist. Durch die Vorlage eines gefälschten Impfausweises, um über seinen Impfstatus zu täuschen und auf diese Weise die Nachweispflicht zu umgehen, hätte der Arbeitnehmer ein hohes Maß an krimineller Energie an den Tag gelegt, welches das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nachhaltig gestört hätte. Durch sein berechnendes und rücksichtsloses Verhalten sei die Gesundheit der anderen Arbeitnehmer sowie der Kunden gefährdet worden, sodass es vorliegend wegen der Schwere der Pflichtverletzung weder auf eine Wiederholungsgefahr noch auf den langjährigen störungsfreien Bestand des Arbeitsverhältnisses angekommen sei.

Einordnung der Entscheidung

Durch die Pflichten des § 28b lfSG kam es zu einer Reihe unterschiedlicher Pflichtverletzungen von Arbeitnehmern, zu denen nunmehr aktuellen Entscheidungen der Arbeitsgerichte vorliegen. Die Entscheidung des ArbG Düsseldorf vom 18.02.2022 reiht sich in diese aktuelle Rechtsprechung ein, die ganz überwiegend zu Lasten der klagenden Arbeitnehmer ausgingen. So urteilte etwa das ArbG Lübeck, Urteil vom 13.04.2022, Az.: 5 Ca 189/22, gemäß dem amtlichen Leitsatz:

Wer durch die Vorlage einer nicht auf einer ärztlichen Untersuchung beruhenden Bescheinigung versucht, seinen Arbeitsgeber über seine Impfunfähigkeit zu täuschen, verstößt in schwerwiegender Weise gegen seine auf § 20a Abs. 2 Satz1 IFSG beruhende arbeitsvertragliche Nebenpflicht.

Das ArbG Lübeck hielt daher auch in diesem Fall eine außerordentliche Kündigung für wirksam.

Auch das ArbG Hamburg urteilte am 31.03.2022, Az.: 4 Ca 323/21, dass die Vorlage eines Testzertifikats, das unzutreffend bescheinigt, der Antigen-Schnelltest sei von dem Leistungserbringer i. S. d. § 6 Abs. 1 TestV selbst durchgeführt worden, in der Absicht, die in § 28b Abs. 1 Satz 1 IfSG in den vom 24.11.2021 bis zum 19.03.2022 geltenden Fassungen geregelte Nachweispflicht zu umgehen, geeignet sei, einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB für die fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses darzustellen.

Über den Autor

Herr Dr. jur. Quast LL.M. ist Rechtsanwalt und Mediator am Attendorner Standort der Sozietät Dr. Schreiner + Partner. Zudem ist er Lehrbeauftragter der FernUniversität Hagen im Modul Arbeitsvertragsrecht und Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Nach dem Abschluss seines Referendariats war er als Rechtsanwalt im Wirtschaftsrecht und anschließend als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der FernUniversität in Hagen tätig, an der er auch promovierte. Zudem erwarb er die Zusatzqualifikationen als Master of Laws im Wirtschaftsrecht sowie als Mediator in der Wirtschaftsmediation.

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