„Der Beweiswert von (Folge-)Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen kann erschüttert sein, wenn der arbeitsunfähige Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung eine oder mehrere Folgebescheinigungen vorlegt, die passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfassen, und er unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufnimmt.“ so das BAG in seiner Pressemitteilung vom 13.12.2023.
Bislang entschied das BAG nur über einen Fall, bei dem ein Arbeitnehmer nach Ausspruch einer Eigenkündigung ab dem Folgetag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist vorlegt (BAG 5 AZR 149/21). Wir legten die Entscheidung so aus, dass die der Entscheidung zugrunde liegenden Gründe auch auf Fälle einer Arbeitgeberkündigung, sowie auf Fälle übertragbar ist, in denen der Arbeitnehmer nicht eine durchgehende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist vorlegt, sondern diesen Zeitraum mit mehreren Folgebescheinigungen überbrückt.
Diese Situation wurde sowohl in der Anwaltschaft, als auch durch die Gerichte teilweise anders beurteilt. Viele Arbeitnehmeranwälte beriefen sich darauf, dass der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur dann erschüttert sein, wenn der Arbeitnehmer eine durchgehende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt und es sich um eine Eigenkündigung handele. Einige Gerichte folgten dieser Auffassung, andere wiederum nicht.
Nun hat das BAG die auch von uns vertretene Auffassung dahingehend bestätigt, dass es unerheblich ist, ob es sich um eine Arbeitnehmerkündigung oder eine Arbeitgeberkündigung handele. Ebenso sei unerheblich, ob die Arbeitsunfähigkeit durch eine einzelne oder mehrere Folgebescheinigungen erfolgt. Dieses Ergebnis ist aus Arbeitgebersicht zu begrüßen.
Die Besonderheit im Entschiedenen Fall ist allerdings, dass der gekündigte Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung (03.05.2022) bereits seit dem 02.05.2022 bis zum 06.05.2022 arbeitsunfähig erkrankt war und dieses durch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung belegte. Nach dem Zugang der Kündigung wurde die Arbeitsunfähigkeit durch zwei Folgebescheinigungen bis zum Ablauf der Kündigungsfrist verlängert. Im Anschluss nahm der Arbeitnehmer unmittelbar ab dem 01.06.2022 eine Folgebeschäftigung auf, welche er auch tatsächlich antreten konnte.
Die Vorinstanzen haben dem Arbeitnehmer noch den begehrten Entgeltfortzahlungsanspruch mit der Begründung stattgegeben, dass der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits arbeitsunfähig erkrankt war. Das BAG hat die Zweifel an der Erstbescheinigung vom 02.05.2022 als unbegründet angesehen, jedoch klargestellt, dass im entschiedenen Fall die Koinzidenz der Kündigungsfrist und der beiden Folgebescheinigungen ab dem 07.05.2022 zusammen, als auch der Umstand der Arbeitsfähigkeit ab dem 01.06.2022 bei einem Folgearbeitgeber zu berücksichtigen sind und für sich genommen berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der Folgebescheinigungen auslösen kann. Ob im vorliegenden Fall beide Umstände zusammentreffen mussten oder beide Umstände bereits für sich alleine berechtigte Zweifel an den Folgebescheinigungen auslösen können, ist der Pressemitteilung leider nicht zu entnehmen. Hier werden die Urteilsgründe abzuwarten sein.
Im Ergebnis ist herauszustellen, dass das BAG dem Arbeitgeber mit seiner Entscheidung den Rücken stärkt, indem er die Möglichkeit eröffnet, im Einzelfall auch nur Folgebescheinigungen anzugreifen, wenn der gekündigte Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Zugang der Kündigung bereits arbeitsunfähig erkrankt ist.