30. August 2023
Kündigungsrecht, Prozessführung
Autor Maximilian Schreiner
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Kündigung aufgrund von beleidigenden Chat-Nachrichten

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied am 24. August 2023, dass ein Arbeitnehmer, der sich in einer privaten Chatgruppe bestehend aus sieben Mitgliedern beleidigend, rassistisch, sexistisch und gewaltverherrlichend über seine Vorgesetzten und Kollegen äußert, nur in seltenen Fällen auf eine legitime Erwartung der Vertraulichkeit hoffen kann, um eine daraufhin erfolgte fristlose Kündigung anzufechten.

 

Der Fall

Seit 2014 war der klagende Arbeitnehmer Teil einer Chatgruppe, die fünf weitere Kollegen und ab November 2020 einen ehemaligen Mitarbeiter umfasste. Laut dem Gericht der Vorinstanz waren alle Mitglieder „langjährig befreundet“, einige sogar verwandt. In dieser Gruppe äußerte sich der Kläger neben privaten Themen auch abfällig und herabwürdigend über Vorgesetzte und Arbeitskollegen. Als der Arbeitgeber zufällig Kenntnis von diesen Nachrichten erhielt, wurde das Arbeitsverhältnis umgehend fristlos beendet.

In den ersten beiden Instanzen bekam der Kläger Recht; jedoch hob das BAG dieses Urteil auf und verwies den Fall an das Landesarbeitsgericht (LAG) zurück.

 

Urteilsbegründung

Das BAG stellte fest, dass das LAG den Fall fehlerhaft bewertet hatte, indem es dem Kläger eine gerechtfertigte Erwartung an die Vertraulichkeit seiner Aussagen zugestanden hatte.

Nach Ansicht des BAG kann eine Vertraulichkeitserwartung nur dann als gerechtfertigt angesehen werden, wenn die Mitglieder der Chatgruppe in der Lage sind, einen besonderen Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte in Bezug auf eine vertrauliche Kommunikationssphäre geltend zu machen. Diese Einschätzung hängt vom Inhalt der Nachrichten sowie der Größe und Zusammensetzung der Gruppe ab. Wenn, wie im vorliegenden Fall, die Kommunikation beleidigende und erniedrigende Äußerungen über Arbeitskollegen enthält, muss der Arbeitnehmer speziell darlegen können, warum er glaubte, dass diese Nachrichten nicht an Dritte weitergegeben werden würden.

Das BAG hob daher das Urteil der Vorinstanz auf und wies die Angelegenheit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück. Dort wird dem Kläger die Möglichkeit gegeben, zu erläutern, warum er angesichts der Umstände – der Größe der Gruppe, der veränderten Zusammensetzung, der unterschiedlichen Beteiligung der Mitglieder und der Art des verwendeten Kommunikationsmediums – eine berechtigte Erwartung an die Vertraulichkeit der Kommunikation haben durfte.

Über den Autor

Herr Schreiner ist Partner der Sozietät und als Rechtsanwalt im Attendorner Büro der Kanzlei tätig.

Während seines Studiums an der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster setzte er bereits eindeutige Schwerpunkte im Bereich Arbeitsrecht und war im Rahmen des Referendariats bei einer internationalen Wirtschaftskanzlei in Düsseldorf arbeitsrechtlich tätig.

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