02. November 2023
Betriebsverfassungsrecht
Autor Steffen Meyke
Stets up-to-date.

Sie möchten arbeitsrechtlich stets auf dem neuesten Stand bleiben? Dann abonnieren Sie unseren kostenfreien Newsletter und seien Sie Ihrem Gegenüber stets einen Schritt voraus.

Der Abbruch einer Betriebsratswahl

Oftmals treten im Laufe eines Wahlverfahrens erhebliche Streitigkeiten auf. Grund dieser Streitigkeiten sind oftmals massive Eingriffe in das Wahlverfahren vor allem durch den Wahlvorstand. 

 

Problemstellung

Gemäß § 19 Abs. 1 BetrVG kann eine abgeschlossene Betriebsratswahl durchaus angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist. 

Von einer solchen Geltendmachung der Ungültigkeit einer Betriebsratswahl sind die Fälle zu unterscheiden, in denen eine Wahl schlicht nichtig ist. Die Nichtigkeit einer Wahl kann ebenfalls gerichtlich festgestellt werden. Die Nichtigkeit hat auch eine rückwirkende Kraft. Wenn die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl festgestellt wird, hat der Betriebsrat rechtlich nie bestanden und seine Handlungen sind rechtsunwirksam. Allerdings können solche Verfahren in mehreren Instanzen bis zur Rechtskraft viele Monate oder gar Jahre dauern. 

Daher stellt sich oft die Frage, ob bei sehr schwerwiegenden Eingriffen und Verstößen seitens des Wahlvorstandes eine Betriebsratswahl nicht vor ihrer Durchführung abgebrochen werden kann.

 

Voraussetzungen des Abbruchs einer Betriebsratswahl

Klar ist, dass nur in ganz besonderen Ausnahmefällen auf Antrag ein vorzeitiger Abbruch einer Betriebsratswahl erfolgen kann. In einer Entscheidung vom 27.07.2011 – 7 ABR 61/10 hat das Bundesarbeitsgericht geklärt, dass ein vorzeitiger Abbruch der Betriebsratswahl nur dann zulässig sein kann, wenn die Betriebsratswahl an sich nichtig wäre. 

Bei schwerwiegenden Verstößen gegen Wahlgrundsätze bzw. bei schwerwiegenden Eingriffen in eine Betriebsratswahl durch den Wahlvorstand ist also zu prüfen, ob eine entsprechend abgeschlossene Betriebsratswahl nichtig wäre. 

Eine nichtige Betriebsratswahl wiederum ist nur in ganz besonderen Ausnahmefällen anzunehmen, in denen gegen wesentliche Grundsätze des Wahlrechts in einem so hohen Maße verstoßen worden ist, dass nicht einmal der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl vorliegt. 

Nachfolgend einige Beispiele für eine nichtige Betriebsratswahl:  

  • Die Wahl einer Person, die offensichtlich gar kein Arbeitnehmer des Betriebs ist; 
  • die Wahl eines Betriebsrats für einen Betriebsteil, obwohl für diesen Betriebsteil zusammen mit anderen Betriebsteilen bereits ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt worden ist;
  • die willkürliche Zusammenziehung von selbstständigen Betrieben zu einem Betrieb, wobei gerade nicht jede Verkennung des Betriebsbegriffs die Nichtigkeit der Wahl zur Folge hat; lediglich eine offensichtliche bzw. willkürliche Verkennung des Betriebsbegriffs kann zur Nichtigkeit führen; 
  • das offene Terrorisieren der Belegschaft während des Wahlakts;
  • die willkürliche Nichtzulassung formal ordnungsgemäßer Wahlvorschläge.

 

Diese beispielhafte Aufzählung ist natürlich nicht abschließend. 

Allen diesen Beispielen ist allerdings gemein, dass eine Betriebsratswahl unter der Aufgabe wesentlicher demokratischer Grundsätze einer ordnungsgemäßen Wahl stattgefunden hat, bzw. stattfinden sollte. 

Im Weiteren kann auch – bei dem Vorliegen entsprechender Nichtigkeitsgründe – eine Betriebsratswahl abgebrochen werden, welche außerhalb des regelmäßigen Wahlzeitraums erfolgt. 

Eine weitere Voraussetzung für den Abbruch einer Betriebsratswahl soll zudem sein, dass die zugrunde liegenden Rechtsfragen bereits höchstrichterlich geklärt sind. Dies hat zumindest das LAG Düsseldorf in einer Entscheidung vom 25.03.2020 – 7 TaBVGa 2/20 so vertreten. 

 

Verfahren; Antragsberechtigung 

Der vorzeitige Abbruch einer Betriebsratswahl kann durch eine einstweilige Verfügung erreicht werden. Der Erlass einer solchen muss vor der eigentlichen Wahl, also vor der Stimmabgabe, erfolgen. 

Antragsberechtigt ist jeder, der durch Maßnahmen des Wahlvorstands in seinem aktiven oder passiven Wahlrecht betroffen ist. Darüber hinaus sind auch der Arbeitgeber, mindestens drei Wahlberechtigte sowie eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft antragsberechtigt. 

 

Fazit

In Anbetracht der Tatsache, dass nach einer abgeschlossenen Betriebsratswahl die arbeitsgerichtliche Feststellung einer Nichtigkeit oder auch einer Unwirksamkeit dieser Wahl Monate, wenn nicht gar Jahre dauern kann, ist der Abbruch einer Betriebsratswahl per einstweiliger Verfügung bei dem Vorliegen entsprechender Gründe ein probates Mittel. Für den Fall der Feststellung der Nichtigkeit oder einer Unwirksamkeit der zugrunde liegenden abgeschlossenen Betriebsratswahl kann der Betriebsrat für die Dauer des gesamten Verfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss jedenfalls im Amt bleiben und auch seine entsprechenden Betriebsratstätigkeiten verrichten. 

Daher empfiehlt es sich sehr, die Betriebsratswahl genauestens zu beobachten und, wenn tatsächlich schwere Beeinträchtigungen der Wahl durch den Wahlvorstand stattfinden, welche Nichtigkeitsgründe abbilden, auch eine entsprechende einstweilige Verfügung, gerichtet auf den Abbruch der Betriebsratswahl, zu erwirken. 

Über den Autor

Steffen Meyke ist als Rechtsanwalt am Attendorner Hauptstandort der Sozietät Dr. Schreiner + Partner tätig. Er ist bereits seit 2006 Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Nach seinem Studium der Rechtswissenschaften war Steffen Meyke bereits im Referendariat für eine Rechtsanwaltskanzlei auf dem Gebiet des Arbeitsrechts tätig und vertrat mittelständische Unternehmen in arbeitsrechtlichen Verfahren.

Weiterlesen
Ebenfalls interessant

Ob mittelständisches Familienunternehmen oder Startup, viele Unternehmen haben keinen Betriebsrat...

Artikel ansehen >

Nach jahrelangen Debatten ist nunmehr zum 1. April dieses Jahres...

Artikel ansehen >

Der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz besteht erst, wenn die...

Artikel ansehen >

Über den Einsatz Künstlicher Intelligenz und die diesbezüglichen Mitbestimmungsrechte des...

Artikel ansehen >

Bundesarbeitsgericht bestätigt Instanzrechtsprechung Gemäß § 37 Abs. 6 BetrVG haben...

Artikel ansehen >

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluss vom 17.10.2023 -1 ABR 24/22)...

Artikel ansehen >

Nach den neuesten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zur Betriebsratsvergütung, insbesondere zur...

Artikel ansehen >

Eine interessante und überaus positive Entscheidung konnten wir kürzlich vor...

Artikel ansehen >