24. April 2024
Betriebsverfassungsrecht, Alternative Mitbestimmung
Autor Dr. jur. Dirk Schreiner
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Die erstmalige Bildung eines Betriebsrates – Lassen Sie sich nicht überrumpeln!

Ob mittelständisches Familienunternehmen oder Startup, viele Unternehmen haben keinen Betriebsrat und möchten an diesem Zustand auch nichts ändern. Urplötzlich flattert dann ein Schreiben der Gewerkschaft ins Haus, mit der Aufforderung, eine Einladung zur Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes auszuhängen, und zwar mit kurzer Frist.

Dieses Schreiben trifft die Geschäftsführung meist völlig unerwartet. Was ist zu tun? Mache ich mich vielleicht sogar strafbar, wenn ich falsch handele? Viele Fragen und Ängste trüben in einer solchen Situation das analytische und strategische Denkvermögen. „Auf diese Situation waren wir nicht vorbereitet“, klagen viele Verantwortliche, wenn es zu spät ist. Und dies machen sich vornehmlich Gewerkschaften gerne zunutze, um das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen und so ihren Einfluss im Unternehmen auszuweiten.

Also: Seien Sie gut vorbereitet!

In der Tat stellt die Wahl des Wahlvorstandes in Betrieben ohne Betriebsrat den ersten Schritt zur Bildung eines Betriebsrates dar. Der Wahlvorstand wird gemäß § 17 Abs. 2 BetrVG in einer Wahlversammlung gewählt, zu der gemäß § 17 Abs. 3 BetrVG drei wahlberechtigte Arbeitnehmer oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft einladen können. Entscheidend ist, dass in dieser Betriebsversammlung mindestens drei Wahlvorstandskandidaten die Mehrheit der anwesenden Stimmen erhalten müssen. Es kommt also nicht auf die Mehrheit der Arbeitnehmer des Betriebes, sondern auf die Mehrheit der auf der Betriebsversammlung anwesenden Arbeitnehmer an. Diesen Umstand machen sich Gewerkschaften typischerweise dadurch zunutze, dass sie zu einer Betriebsversammlung einladen, an der (aufgrund des Termins, der Uhrzeit oder des Ortes) möglichst wenige Arbeitnehmer teilnehmen, dafür aber genau diejenigen, die einen Betriebsrat bilden möchten.

Wenn, wie dies oft der Fall ist, die Mehrheit der Arbeitnehmer aber gar keinen Betriebsrat bilden möchte, sollten auf der Wahlversammlung gerade diese Arbeitnehmer anwesend sind, um im Rahmen der Ausübung ihres Wahlrechts klarzustellen, dass die Wahl eines Betriebsrates mehrheitlich gerade nicht gewünscht ist. Gemäß § 17 Abs. 4 BetrVG kann die Gewerkschaft (oder drei wahlberechtigte Arbeitnehmer) zwar dann beim Arbeitsgericht beantragen, einen Wahlvorstand gerichtlich zu bestellen. Gegen eine klare Mehrheit in einer Betriebsversammlung wird sich eine Gewerkschaft jedoch schwertun, sich auf diese Art und Weise gegen die Mehrheitsmeinung im Betrieb zu stellen. Denn vorrangiges Ziel einer Gewerkschaft ist die Mitgliederwerbung. Diese wird sicherlich wenig erfolgreich sein, wenn die Meinung der Mitarbeiter von der Gewerkschaft ignoriert wird.

Im Übrigen kann nur eine „im Betrieb vertretene Gewerkschaft“ zu einer Betriebsversammlung zur Wahl des Wahlvorstandes einladen bzw. einen Antrag beim Arbeitsgericht stellen. Bevor also überhaupt eine Einladung zur Betriebsversammlung ausgehängt werden muss, die von der Gewerkschaft übermittelt wurde, sollte ein Nachweis verlangt werden, dass die entsprechende Gewerkschaft mindestens über ein Mitglied in Ihrem Betrieb verfügt. Dies kann durch eine notarielle Erklärung ohne Namensnennung des Gewerkschaftsmitglieds erfolgen.

Was die Einladung zur Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes anbelangt, kommt es im Übrigen immer darauf an, wer die Einladung zuerst aushängt, unabhängig davon, wann die Betriebsversammlung selbst stattfinden soll. Es gilt hier der sogenannte Prioritätsgrundsatz. Wenn also eine solche Betriebsversammlung selbst nicht verhindert werden kann, sollte die Initiative möglichst von drei Arbeitnehmern des Betriebsrats ausgehen statt von einer externen Gewerkschaft. Das hat auch den Vorteil, dass diese einladenden Mitarbeiter die Versammlung dann aller Voraussicht nach leiten werden, wenn kein anderer Versammlungsleiter gewählt wird. Besser der Ablauf einer solchen Versammlung liegt in interner Hand als in der Hand einer Gewerkschaft, die meist eher eigene Interessen verfolgt als das Wohl des Unternehmens und der Arbeitnehmer des Betriebs!

Dennoch sollten Arbeitgeber im eigenen Interesse darüber nachdenken, von sich aus eine Mitarbeitervertretung zu installieren. Statt eines Betriebsrates kann hier eine maßgeschneiderte Lösung wie etwa ein Belegschaftsausschuss ein geeignetes Mittel sein, zu einer kooperativen statt konfrontativen Beteiligungslösung zu kommen. Hierzu muss eine auf den Betrieb maßgeschneiderte Satzung über die Rechte und Pflichten eines solchen Belegschaftsausschusses erarbeitet werden. Gerne sind wir bei der Ausarbeitung eines entsprechenden Konzepts und einer maßgeschneiderten Satzung behilflich. Die Existenz eines solchen Belegschaftsausschusses ist dann auch ein ausgesprochen gutes Argument gegen die Bildung eines Betriebsrates. Lesen Sie dazu unseren Artikel zum Belegschaftsausschuss in diesem Blog.

Über den Autor

Dr. Dirk Schreiner ist als Rechtsanwalt im Attendorner Büro der Kanzlei tätig. Er ist Partner und Gründer der Sozietät.

Nach seinem Studium an der Rheinischen-Wilhelms-Universität Bonn und der Universität Münster promovierte er im Jahre 1987. Anschließend arbeitete er in einer OLG-Kanzlei in Hamm sowie in einer Arbeitsrechtsboutique in Münster. Im Jahre 1993 gründete er die Anwaltskanzlei Dr. Schreiner + Partner.

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