28. August 2023
Betriebsverfassungsrecht, Prozessführung
Autor Markus Vogt
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„Gegnerische“ Rechtsanwaltskosten in einem Beschlussverfahren

Eine interessante und überaus positive Entscheidung konnten wir kürzlich vor dem Landesarbeitsgericht München erstreiten (LAG München, Beschluss vom 05.05.2023, Az. 7 TaBV 12/22). 

Das Landesarbeitsgericht hatte Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Erstattungspflicht von Rechtsanwaltskosten durch den Arbeitgeber nach § 40 Abs. 1 BetrVG zu klären. Auch wenn in diesem Verfahren nicht der Betriebsrat dem Arbeitgeber gegenüberstand, lassen sich die entwickelten Rechtsgrundsätze ohne weiteres auf die Rechtsanwaltskosten des Betriebsrats in einem Beschlussverfahren übertragen. 

 

Was war geschehen? 

Im Jahr 2018 wurde im Betrieb der Arbeitgeberin eine Betriebsratswahl durchgeführt. Die Betriebsratswahl wurde von drei Arbeitnehmern zunächst erfolgreich vor dem Arbeitsgericht angefochten. Die hiergegen von der Arbeitgeberin beim Landesarbeitsgericht eingelegte Beschwerde führte zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und zur Zurückweisung des Anfechtungsantrags. Mit anderen Worten, das Landesarbeitsgericht stellte – anders als noch das Arbeitsgericht – fest, dass die Betriebsratswahl wirksam ist. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht hat das Landesarbeitsgericht in seinem Beschluss nicht zugelassen. 

Gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Landesarbeitsgericht legten die drei Arbeitnehmer – über ihre Rechtsanwältin – Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht ein. Ohne nähere Begründung wurde die Nichtzulassungsbeschwerde durch das Bundesarbeitsgericht als unzulässig verworfen. 

Die Arbeitgeberin übernahm die „gegnerischen“ Rechtsanwaltskosten für das erst- und zweitinstanzliche Anfechtungsverfahren. Sie übernahm dagegen nicht die Kosten der gegnerischen Rechtsanwältin für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht. Diese Kosten wurden von der gegnerischen Rechtsanwälten mit rund 2.000 € beziffert. 

Da die Arbeitgeberin diese Kosten nicht zahlte, wurden diese Honorarkosten von den drei Arbeitnehmern gegen die Arbeitgeberin in einem neuen Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht geltend gemacht. Das Arbeitsgericht wies den Antrag zurück. Das Landesarbeitsgericht München bestätigte in seinem Beschluss vom 05.05.2023 die erstinstanzliche Entscheidung und stellte fest, dass die Arbeitgeberin nicht verpflichtet ist, die drei Arbeitnehmer von Rechtsanwaltskosten für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht freizustellen. 

 

Hintergrund

In einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren kann gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Arbeitsgerichts immer das Rechtsmittel der Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt werden. 

Gegen die zweitinstanzliche Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kann aber nicht ohne weiteres Rechtsbeschwerde – im Urteilsverfahren Revision genannt – zum Bundesarbeitsgericht eingelegt werden. Vielmehr muss die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht ausdrücklich vom Landesarbeitsgericht zugelassen werden. Das Landesarbeitsgericht ist aber in seiner Entscheidung, ob die Rechtsbeschwerde zugelassen wird, nicht frei. Das Landesarbeitsgericht muss die Rechtsbeschwerde zulassen, wenn einer der im Gesetz genannten Gründe vorliegt. Hiernach ist die Rechtsbeschwerde vom Landesarbeitsgericht zuzulassen, wenn entweder die grundsätzliche Bedeutung einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit oder eine entscheidungserhebliche Divergenz oder ein absoluter Revisionsgrund bzw. eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vorliegt. 

Es könnte aber sein, dass das Landesarbeitsgericht das Vorliegen eines solchen Grundes zu Unrecht verneint. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber einen eigenen Rechtsbehelf – nicht Rechtsmittel – geschaffen, die sog. „Nichtzulassungsbeschwerde“. In einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren prüft das Bundesarbeitsgericht nur, ob das Landesarbeitsgericht zu Recht oder eben zu Unrecht die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat. 

Die Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Nichtzulassungsbeschwerde gestellt werden, sind ausgesprochen hoch. Nur etwa 4-6 % aller eingelegten Nichtzulassungsbeschwerden werden vom Bundesarbeitsgericht zur weiteren Entscheidung angenommen. Der ganz überwiegende Teil wird vom Bundesarbeitsgericht zurückgewiesen. Genügt die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde bereits nicht den hohen Anforderungen, kann das Bundesarbeitsgericht – wie vorliegend geschehen – die Nichtzulassungsbeschwerde ohne Begründung als „unzulässig verwerfen“. 

Sicherlich haben sie bereits festgestellt, dass der Arbeitgeber in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren regelmäßig auch die Rechtsanwaltskosten des Betriebsrats zu tragen hat. Das gilt in aller Regel unabhängig davon, ob der Arbeitgeber das Beschlussverfahren „verliert“ oder „gewinnt“. 

Nach dem Verständnis der Rechtsprechung gehören auch die Honorarkosten für den Betriebsratsanwalt zu den „durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten“ im Sinne von § 40 Abs. 1 BetrVG, wenn der Betriebsrat diese Kosten für „erforderlich“ halten durfte (vgl. nur: BAG, Beschluss vom 21.11.2017, Az. 7 ABR 34/16). 

Zwar steht dem Betriebsrat bei der Entscheidung über die „Erforderlichkeit“ der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts ein gewisser Entscheidungsspielraum zu. Doch darf der Betriebsrat die Entscheidung nicht allein anhand seiner subjektiven Bedürfnisse vornehmen. Vielmehr sind vom Betriebsrat auch die Interessen des Arbeitgebers zu berücksichtigen. So hat der Betriebsrat insbesondere auch das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an der Begrenzung seiner Kostentragungspflicht zu berücksichtigen. 

 

Für den Betriebsrat zu achtende Maßstäbe

Das Bundesarbeitsgericht betont insoweit, dass der Betriebsrat wie jeder, der auf Kosten eines anderen handeln kann, die Maßstäbe einzuhalten hat, die er ggf. bei eigener Kostentragung anwenden würde, wenn er selbst bzw. seine Mitglieder die Kosten tragen müssten (vgl. BAG, Beschluss vom 18.03.2015, Az. 7 ABR 4/13; Beschluss vom 22.11.2017, Az. 7 ABR 34/16). Mit anderen Worten, wenn auf Kosten eines anderen – hier des Arbeitgebers – gehandelt wird, darf man nicht „risikofreudiger“ sein, als wenn man das Kostenrisiko selbst trägt. 

Hieraus hat die Rechtsprechung zwei Fallgestaltungen entwickelt, in denen der Betriebsrat die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht für erforderlich halten darf. Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers entfällt hiernach bei einer offensichtlich aussichtslosen oder mutwilligen Rechtsverfolgung (vgl. nur: BAG, Beschluss vom 22.11.2007, Az. 7 ABR 15/02). 

Offensichtlich aussichtslos ist die Rechtsverfolgung, wenn die Rechtslage unzweifelhaft ist und das eingeleitete Beschlussverfahren zu einem Unterliegen des Betriebsrats führen muss (vgl. BAG, Beschluss vom 19.04.1989, Az. 7 ABR 6/88; Beschluss vom 29.07.2009, Az. 7 ABR 95/07; Beschluss vom 22.11.2017, Az. 7 ABR 34/16). 

Vorliegend kam das Landesarbeitsgericht – zutreffend – zu dem Ergebnis, dass die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde „offensichtlich aussichtslos“ war. Hier spielt es jetzt eine Rolle, dass das Bundesarbeitsgericht die Nichtzulassungsbeschwerde als „unzulässig verworfen“ hat. Damit hat das Bundesarbeitsgericht inzident zu verstehen gegeben, dass der Rechtsanwaltsschriftsatz bereits nicht den hohen Anforderungen, die an eine ordnungsgemäß eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde gestellt werden, genügte. 

Das Landesarbeitsgericht München führt diesbezüglich wie folgt aus: 

»… Es wäre bereits bei einer oberflächlichen summarischen Prüfung ohne weiteres für die Prozessbevollmächtigte der Antragsteller erkennbar gewesen, dass ein Einlegen einer Nichtzulassungsbeschwerde mangels auch nur ansatzweise bestehender Gründe im Sinne von § 72a Abs. 3 S. 2 Nr. 1-3 ArbGG offensichtlich aussichtslos ist …« 

Autsch! Damit sagt das Landesarbeitsgericht, dass die Rechtsanwältin hätte erkennen müssen, dass ihre Nichtzulassungsbeschwerde – mit der abgegebenen Begründung – vor dem Bundesarbeitsgericht niemals erfolgreich sein konnte. 

Das Landesarbeitsgericht betonte in seiner Entscheidung auch, dass der Betriebsrat die Frage der „Erforderlichkeit“ für jede Instanz bzw. für jeden Rechtszug neu prüfen muss. Allein der Umstand, dass ein Rechtsmittel oder Rechtsbehelf rechtlich möglich ist und eingelegt werden kann, begründet die „Erforderlichkeit“ noch nicht. Vielmehr ist der Betriebsrat – im Kosteninteresse des Arbeitgebers – gehalten zu prüfen, ob und ggf. mit welchen Argumenten ein Rechtsmittel bzw. ein Rechtsbehelf gegen eine zu seinen Lasten ergangene Entscheidung erfolgversprechend ist (vgl. BAG, Beschluss vom 18.03.2015, Az. 7 ABR 4/13; Beschluss vom 22.11.2017, Az. 7 ABR 34/16). 

Am Ende der Entscheidung bemerkte das Landesarbeitsgericht München noch folgendes: 

»… Die fehlerhafte Vorgehensweise ihrer Prozessbevollmächtigten müssen sich die Antragsteller zurechnen lassen, wobei es dahingestellt bleibt, ob bei dieser Sachlage dieser überhaupt die Bezahlung von Rechtsanwaltskosten seitens der Antragsteller zusteht.« 

Doppel-Autsch! 

 

Erstattung von „gegnerischen“ Rechtsanwaltskosten kein „Selbstläufer“

Sehr erfreulich ist, dass das Landesarbeitsgericht München herausgestellt hat, dass die Erstattung von „gegnerischen“ Rechtsanwaltskosten durch den Arbeitgeber kein „Selbstläufer“ ist und das Interesse des Arbeitgebers an der Begrenzung seiner Kostenlast vom Betriebsrat zu berücksichtigen ist. 

Eine „gegnerische“ Honorarforderung sollte nicht unkritisch und übereilt in die Buchhaltung gegeben werden. Insbesondere bei einem unzulässigen Rechtsmittel oder Rechtsbehelf empfiehlt es sich, doppelt genau hinzuschauen. 

Abschließend sei noch angemerkt, dass die gegnerische Rechtsanwältin – natürlich und konsequenterweise – auch keinen Honoraranspruch für die Geltendmachung ihrer Kosten in den zwei Instanzen hat. 

Über den Autor

Herr Vogt ist als Rechtsanwalt am Attendorner Standort der Kanzlei tätig. Er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Nach seinem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Hamburg und dem anschließenden Referendariat im Gerichtsbezirk des Oberlandesgerichts Stuttgart, war Herr Vogt selbständiger Rechtsanwalt in Friedrichshafen am Bodensee. Er betreute insbesondere mittelständische Unternehmen in arbeits- und insolvenzrechtlichen Fragestellungen.

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