17. November 2022
Betriebsverfassungsrecht
Autor Steffen Meyke
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Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung einer personellen Maßnahme?

Zunehmend begehren Betriebsräte wegen vermeintlicher Verstöße die Unterlassung insbesondere der vorläufigen Durchführung von personellen Maßnahmen und stützen sich dabei auf § 23 Abs. 3 BetrVG.

Die Problematik

Der Arbeitgeber führt eine – insbesondere kurzfristige -personelle Maßnahme, wie etwa Einstellung eines Leiharbeitnehmers für wenige Monate oder die Versetzung eines Arbeitnehmers für wenige Wochen vorläufig durch. Der Betriebsrat ist der Auffassung, die personelle Maßnahme verstößt gegen materielles oder formelles Recht und widerspricht der vorläufigen Durchführung der Maßnahme und/oder verweigert die Zustimmung zu der Maßnahme. Leitet nun der Arbeitgeber ein gerichtliches Verfahren im Sinne des § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG ein, kann er die personelle Maßnahme legal aufrechterhalten bis durch eine rechtskräftige (!) Entscheidung festgestellt wird, dass offensichtlich die Maßnahme aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war oder die Zustimmung des Betriebsrats nicht ersetzt wird. Vor einer solchen rechtskräftigen arbeitsgerichtlichen Entscheidung haben sich allerdings personelle Maßnahmen von einer kurzen Dauer, wie wenigen Wochen oder Monaten, schlicht durch eine Beendigung erledigt. Das arbeitsgerichtliche Verfahren wird dann eingestellt.

Dies sehen Betriebsräte oftmals nicht ein.

Grundsätzliches

Der Betriebsrat kann im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus dem Betriebsverfassungsgesetz beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine bestimmte Handlung zu unterlassen. Ein entsprechender Unterlassungsanspruch des Betriebsrats setzt also einen groben Verstoß gegen Verpflichtungen des Arbeitgebers aus dem Betriebsverfassungsgesetz voraus.

Meinungsstand

Fraglich ist nun, ob der Betriebsrat zur Wahrung seines Mitbestimmungsrechts nach § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG einen Anspruch auf Unterlassung einer personellen Maßnahme hat, deren Durchführung er beispielsweise nicht zugestimmt hat.

Dies ist nicht unumstritten. Eine Auffassung bejaht einen solchen Anspruch; eine andere Auffassung lehnt einen solchen Anspruch ab.

Das Bundesarbeitsgericht hat einen allgemeinen Unterlassungsanspruch im Rahmen des § 99 Abs. 1 BetrVG abgelehnt. Zwar hat der Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht. Jedoch sieht das Gesetz die vorläufige Durchführung einer Maßnahme ohne vorherige Zustimmung oder Zustimmungsersetzung ausdrücklich vor. Der Gesetzgeber hat in den §§ 100 und 101 BetrVG detaillierte spezielle Regelungen aufgestellt. § 100 BetrVG legt dabei die Voraussetzungen sowie die Dauer der Durchführung einer ganz bestimmten personellen Einzelmaßnahme, wie eine Versetzung, auch ohne eine Zustimmung des Betriebsrats fest.

Die Regelungen der §§ 100, 101 BetrVG gehen bei kurzfristigen personellen Einzelmaßnahmen, die sich vor Eintritt der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung schlicht durch Zeitablauf erledigen, ins Leere.

Hier besteht in der Tat eine Schutzlücke. Diese ist allerdings vom Gesetzgeber vorgesehen. Der Betriebsrat hat im Grundsatz eine vorläufige personelle Maßnahme für die Dauer des Verfahrens nach § 100 Abs. 2 und 3 BetrVG hinzunehmen.

Ausnahmen von diesem Grundsatz

Allerdings können von diesem Grundsatz dann Ausnahmen bestehen, wenn ein Arbeitgeber beispielsweise ein gerichtliches Verfahren gemäß § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG vor der tatsächlichen vorläufigen Durchführung der Maßnahme trotz fehlender Zustimmung des Betriebsrats gar nicht erst einleitet oder er trotz des Vorliegens einer personellen Maßnahme den Betriebsrat schlicht gar nicht erst um Zustimmung zu dieser personellen Maßnahme ersucht.

In diesen Fällen kann der Betriebsrat wegen eines groben Verstoßes des Arbeitgebers gegen seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten die Aufhebung der Maßnahme bereits gemäß § 23 Abs. 3 BetrVG verlangen. Dies kann der Betriebsrat in dringenden Fällen sogar durch die Beantragung einer einstweiligen Verfügung tun.

In diesen Fällen eines möglichen Rechtsmissbrauchs kann der Betriebsrat also tatsächlich, gegebenenfalls im Wege der einstweiligen Verfügung, auch die vorläufige Durchführung einer personellen Maßnahme durch die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs verhindern.

Fazit

Arbeitgeber sind also zumindest gehalten, personelle Maßnahmen als solche zu erkennen und beim Betriebsrat um die Zustimmung zu der personellen Maßnahme im Sinne des §§ 99 Abs. 1 BetrVG zu ersuchen. Beruft sich dann ein Arbeitgeber auf die Notwendigkeit der vorläufigen Durchführung dieser personellen Einzelmaßnahme, sollte er das in § 100 Abs. 2 BetrVG geregelte formale Verfahren beachten und insbesondere nach einem Widerspruch des Betriebsrats gegen die vorläufige Durchführung der personellen Einzelmaßnahme innerhalb von drei Tagen beim zuständigen Arbeitsgericht die entsprechenden Anträge stellen.

Beachtet der Arbeitgeber diese Grundvoraussetzungen, scheidet ein Unterlassungsanspruch des Betriebsrats im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG jedoch regelmäßig aus.

Über den Autor

Steffen Meyke ist als Rechtsanwalt am Attendorner Hauptstandort der Sozietät Dr. Schreiner + Partner tätig. Er ist bereits seit 2006 Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Nach seinem Studium der Rechtswissenschaften war Steffen Meyke bereits im Referendariat für eine Rechtsanwaltskanzlei auf dem Gebiet des Arbeitsrechts tätig und vertrat mittelständische Unternehmen in arbeitsrechtlichen Verfahren.

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