09. Januar 2023
Betriebsverfassungsrecht, Prozessführung
Autor Maximilian Schreiner
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Der Umgang mit einer verweigerten Zustimmung des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen

Der Betriebsrat muss bei sog. personellen Einzelmaßnahmen angehört werden und diesen zustimmen. In der Praxis kommt es hier regelmäßig zu Streitigkeiten zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat. Im Folgenden soll es darum gehen, wie Arbeitgeber mit einer verweigerten Zustimmung des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen umgehen können.

Was sind personelle Einzelmaßnahmen?

Zu den mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten i.S.d. § 99 BetrVG gehören als sog. personelle Einzelmaßnahmen Einstellungen, Eingruppierungen, Umgruppierungen und Versetzungen.

Die Einstellung ist die tatsächliche Aufnahme der Beschäftigung im Betrieb, mithin die Eingliederung der Person in den Betrieb. Allerdings erfordert bereits der Abschluss des Arbeitsvertrages die Zustimmung des Betriebsrats. In der Praxis muss daher bereits vor Abschluss des Vertrages die Zustimmung des Betriebsrats vorliegen. Ferner zählen auch einige Fälle der Fortsetzung von Arbeitsverhältnissen, Erhöhungen von Arbeitszeiten von mehr als 10 Stunden und die Einstellung von Leiharbeitnehmern zu mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten.

Bei der Eingruppierung handelt es sich um die erstmalige Festsetzung einer für die Vergütung des Arbeitnehmers maßgebenden Lohn- oder Gehaltsgruppe. Erforderlich ist hierfür ein Vergütungssystem mit mehreren Lohn- oder Gehaltsgruppen.

Die Umgruppierung ist eine Änderung der für die Vergütung des Arbeitnehmers maßgebenden Lohn- oder Gehaltsgruppe. Eine Umgruppierung kommt erst dann in Betracht, wenn zuvor eine erstmalige Eingruppierung stattgefunden hat.

Eine Versetzung liegt vor, wenn dem Arbeitnehmer entweder ein anderer Arbeitsbereich für voraussichtlich mehr als einen Monat zugewiesen wird oder wenn die Änderung des Arbeitsbereichs mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist (§ 95 Abs. 3 BetrVG).

Das Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 BetrVG

Bei all den zuvor genannten personellen Einzelmaßnahmen hat der Betriebsrat ein Recht auf Zustimmungsverweigerung nach § 99 BetrVG. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat, in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern, die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und weitere Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben. In der Praxis wird von einigen Arbeitgebern häufig vergessen, bei der Anhörung des Betriebsrats die sonstigen Auswirkungen der Maßnahme darzulegen. Dies kann dazu führen, dass der Betriebsrat nicht richtig angehört wurde und somit die Wochenfrist nach § 99 Abs. 3 BetrVG nicht zu laufen beginnt.

Grundsätzlich ist der Betriebsrat nämlich in der Anhörung auch um Zustimmung zu der personellen Einzelmaßnahme zu bitten. Der Betriebsrat kann die Zustimmung aus in § 99 Abs. 2 BetrVG abschließend geregelten Gründen verweigern. Er muss sich jedoch an die nach § 99 Abs. 3 BetrVG festgelegte Wochenfrist halten. Nach Ablauf einer Woche tritt eine sog. Zustimmungsfiktion ein. Diese hat zur Folge, dass der Arbeitgeber die personelle Einzelmaßnahme ohne eine explizite Zustimmung des Betriebsrats durchführen kann.

Betriebsräte, die ihre Zustimmung verweigern möchten, müssen dies dem Arbeitgeber schriftlich unter Angabe von Gründen mitteilen. Völlig unsinnige Begründungen kann der Arbeitgeber hierbei ignorieren, sodass es zu der bereits erwähnten Zustimmungsfiktion nach § 99 Abs. 3 BetrVG kommt.

Was kann ein Arbeitgeber bei einer erklärten Zustimmungsverweigerung tun?

Häufig verweigern Betriebsräte ihre Zustimmung zu personellen Einzelmaßnahmen aus anderen, als den in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Gründen. § 99 BetrVG sieht für diesen Fall die Einleitung eines sog. Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG vor. Diese Vorgehensweise allein ist für die meisten Arbeitgeber unattraktiv. Oftmals dauert ein solches Verfahren mehrere Monate. Ein Abwarten einer Entscheidung ist in vielen Fällen unwirtschaftlich und praxisfern.

Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt und daher in § 100 BetrVG sog. vorläufige personelle Maßnahmen vorgesehen. Erforderlich ist hierfür, dass die personelle Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer über die Sach- und Rechtslage aufzuklären und den Betriebsrat unverzüglich von der vorläufigen personellen Maßnahme zu unterrichten.

Dem Schreiben an den Betriebsrat ist in diesem Fall nicht zwingend ein Rückantwortschreiben beizufügen, da der Arbeitgeber keine Zustimmung des Betriebsrats zur Durchführung der vorläufigen personellen Maßnahme benötigt. Sollte der Betriebsrat bestreiten, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist, muss er dies dem Arbeitgeber unverzüglich (2–3 Tage) mitteilen. Der Arbeitgeber ist sodann verpflichtet, innerhalb von drei Tagen beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats und die Feststellung zu beantragen, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist.

Handelt es sich bei der vorgesehenen personellen Einzelmaßnahme um eine Einstellung, sollte ein Arbeitsvertrag unter die auflösende Bedingung geschlossen werden, dass die Zustimmung des Betriebsrats zu der Einstellung nicht erteilt und rechtskräftig feststeht, dass die Zustimmung gerichtlich nicht ersetzt wird. Anderenfalls kann sich der Arbeitgeber gegenüber dem Bewerber schadensersatzpflichtig machen.

Bei auf den ersten Blick sachlich unsinnigen Gründen, die der Betriebsrat für die Zustimmungsverweigerung anführt, sollte dieses Vorgehen ebenfalls gewählt werden. Zunächst sollte daher das oben beschriebene Verfahren zur Einleitung einer vorläufigen personellen Maßnahme durchgeführt werden. Die Einleitung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens sollte zudem einen Antrag auf Feststellung beinhalten, dass die Zustimmung des Betriebsrats wegen des Eintritts der Zustimmungsfiktion als erteilt gilt.

Bis zum rechtskräftigen Abschluss des gerichtlichen Verfahrens ist der Arbeitgeber dazu berechtigt, die personelle Einzelmaßnahme aufrechtzuerhalten. Dies führt dazu, dass gerade bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern das Verfahren häufig genauso lange dauert wie die Beschäftigung des Leiharbeitnehmers. Mit dem Austausch des Leiharbeitnehmers erledigt sich das gerichtliche Verfahren.

Es gibt daher durchaus eine Reihe zulässiger Handlungsmöglichkeiten des Arbeitgebers zur, jedenfalls vorübergehenden, Umsetzung personeller Einzelmaßnahmen. Hierbei ist jedoch auf einige Fallstricke und Fristen sowie auf die richtige Antragstellung zu achten.

Über den Autor

Herr Schreiner ist Partner der Sozietät und als Rechtsanwalt im Attendorner Büro der Kanzlei tätig.

Während seines Studiums an der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster setzte er bereits eindeutige Schwerpunkte im Bereich Arbeitsrecht und war im Rahmen des Referendariats bei einer internationalen Wirtschaftskanzlei in Düsseldorf arbeitsrechtlich tätig.

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