24. Februar 2022
Betriebsverfassungsrecht, Individualarbeitsrecht, Arbeitsvertragsrecht
Autor Markus Weron
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Die Transformation beim Betriebs­übergang

Der Betriebsübergang gehört sowohl für die beratenden Anwälte wie auch für die zu betreuenden Unternehmen zu den anspruchsvollsten Aspekten im Bereich der Umstrukturierung. Zur gesamten Materie werden umfangreiche Bücher verfasst. Daher wollen wir uns vorliegend einer konkreten Fragestellung widmen, die in unserer Beratung vor kurzem diskutiert wurde.

Der Sachverhalt

Es geht um die sogenannte Transformation von kollektiven Regelungen im Rahmen des Betriebsübergangs, die am Beispiel der verlängerten Vollzeit gem. § 2 des Manteltarifvertrages für die Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Pfalz betrachtet werden soll.

In unserem Fall wurde ein Betrieb per Betriebsübergang auf einen anderen Arbeitgeber übertragen. Der alte Arbeitgeber war tarifgebunden, der „Neue“ ist es nicht. Es stellt sich die Frage, ob und wie die tariflichen Regelungen weitergelten.

Betrachtet man die tarifliche Reglung zur verlängerten Vollzeit, sind verschiedene Aspekte in § 2 zu finden:

  • Arbeitgeber und Arbeitnehmer können sich freiwillig auf eine Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit von 36 auf 40 Stunden einigen (verlängerte Vollzeit).
  • Begrenzung der Anzahl der Mitarbeiter mit verlängerter Vollzeit auf 18 Prozent (Quote)
  • Recht zur Rückkehr zur „normalen“ Vollzeit für beide Parteien

Vorraussetzungen / Folgen der Transformation

Bei einem Betriebsübergang vom tarifgebundenen Arbeitgeber zum tarifungebundenen Arbeitgeber entfällt die originäre Tarifbindung des § 3 TVG, da nicht mehr alle Parteien des Arbeitsverhältnisses tarifgebunden sind. Die Gewerkschaftszugehörigkeit allein der Arbeitnehmer genügt nicht.

Um dennoch den Besitzstand der vor dem Betriebsübergang tarifgebundenen Arbeitnehmer zu schützen, sieht § 613a BGB vor, dass die tariflichen Regelungen, so wie sie zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestanden haben, zum Teil des Arbeitsverhältnisses werden. Sie werden also transformiert.

Die Transformation findet nur dann statt, wenn der Erwerber nicht tarifgebunden ist. Wäre er tarifgebunden, ggf. auch mit einem schlechteren Tarifvertrag, würde eine Transformation nicht stattfinden. Der Erwerber kann die Wirkung der Transformation auch im Nachgang aus der Welt schaffen, indem er z.B. einen Haustarifvertrag abschließt.

Es stellt sich nunmehr die Frage, welche Elemente von § 2 des MTV an dieser Transformation teilgenommen haben. Nur die Regelungen zur verlängerten Vollzeit, oder auch die Quotenregelung?

Ausgehend von der Rechtsprechung des BAG aus 1997 kann die Transformation die Quotenregelung nicht erfassen (vgl. BAG vom 17.06.1997 – 1 ABR 3/97). In der Entscheidung geht es um eine inhaltlich praktisch identische Regelung aus einem Tarifvertrag aus Baden-Württemberg. Das BAG stellt in der Entscheidung eindeutig fest, dass es sich bei einer solchen Regelung ausschließlich um eine sog. Betriebsnorm handelt, aus welcher der einzelne Arbeitnehmer keine individuellen Rechte herleiten kann.

Es geht bei diesen Betriebsnormen allein um das Verhältnis des Arbeitgebers zur Belegschaft als Kollektiv und nicht als Individuen. Voraussetzung für die Anwendung solcher Betriebsnormen ist in der Folge lediglich, dass der Arbeitgeber tarifgebunden ist. Daher können sich einzelne Arbeitnehmer nicht auf derartige Regelungen berufen. Vielmehr wäre die Quotenregelung bestenfalls durch den Betriebsrat durchsetzbar.

Das BAG hat ergänzend in einer weiteren Entscheidung festgehalten, dass aber nur solche Rechte und Pflichten transformiert werden, die zwischen den Arbeitsvertragsparteien unmittelbar und zwingend gelten (BAG, Urteil vom 24.08.2011 – 4 AZR 566/09).

In der Folge kann die als Betriebsnorm ausgestaltete Regelung zu den Quoten der verlängerten Vollzeit mangels Tarifbindung des neuen Arbeitgebers nicht weiter zur Anwendung kommen. Der neue Arbeitgeber kann also sofort nach dem Betriebsübergang mit seinen Mitarbeitern eine Vereinbarung über die verlängerte Vollzeit treffen, ohne mit dem Betriebsrat oder gar der Gewerkschaft hierüber verhandeln zu müssen.

Es werden also nicht die Betriebsnormen transformiert, sondern nur die individualrechtlich gültigen Regelungen des MTV, die unmittelbar das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gestalten. Hierzu gehören im vorliegenden Beispiel die Freiwilligkeit sowie das Rückkehrrecht. So können die Arbeitnehmer z.B. innerhalb von drei Monaten zur ursprünglichen Arbeitszeit zurückkehren.

Bei neu einzustellenden Arbeitnehmern gibt es die Transformation freilich nicht. Mit diesen kann ohne Rücksicht auf etwaige Transformationen eine erhöhte wöchentliche Arbeitszeit, im Zweifel bis zu 48 Stunden, vereinbart werden.

Fazit

Die vorliegende Darstellung zeigt nur einen kleinen Teilbereich der oft komplizierten Fragestellungen, die sich aus Betriebsübergängen ergeben. Wichtig ist es hierbei in jedem Einzelfall sehr genau auf die einzelnen Aspekte einzugehen und diese einer gründlichen Prüfung zu unterziehen.

Über den Autor

Markus Weron ist seit 2007 als Rechtsanwalt zugelassen und am Karlsruher Standort unserer Anwaltskanzlei tätig.

Sein arbeitsrechtlich geprägtes Studium absolvierte er an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg. Während und nach seinem Referendariat war Markus Weron für eine Wirtschaftskanzlei in den Bereichen Arbeits- und Gesellschaftsrecht tätig, zunächst als Assesor, nach seiner Zulassung dann als Rechtsanwalt.

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