25. März 2024
Individualarbeitsrecht, Arbeits- und Gesundheitsschutz, New Work
Autor Dr. jur. Bianca Maiworm LL.M.
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Homeoffice aufgrund eines ärztlichen Attestes?

Beginnend mit der Corona Pandemie ist die Tätigkeit im Homeoffice immer mehr in den Fokus und auch in den Forderungskatalog der Arbeitnehmer gerutscht. Parallel dazu ist als neues Phänomen das Homeoffice Attestes entstanden. So häufen sich in letzter Zeit durch Arbeitnehmer vorgelegte ärztliche Atteste, nach denen die ärztliche Empfehlung ausgesprochen wird, dass Mitarbeitern eine Tätigkeit ausschließlich im Homeoffice erbringen sollte und der Arbeitgeber dieses daher zuweisen möge. Wird ein solches Attest durch den Mitarbeiter vorgelegt, stellen sich viele Arbeitgeber die Frage, wie mit dieser Situation umzugehen ist.

Eine höchstgerichtliche Entscheidung des BAG dazu, ob der Mitarbeiter mithilfe eines ärztlichen Attests einen Anspruch auf eine ausschließliche Tätigkeit im Homeoffice erreichen kann steht bislang noch aus.

Unter der grundlegenden Voraussetzung, dass die Arbeitsleistung ihrer Art nach überhaupt im Homeoffice erbracht werden kann, also keine Präsenz an der betrieblichen Arbeitsstätte erfordert, gibt es in der Literatur durchaus vereinzelt Meinungsvertreter, die der Auffassung sind, dass der Arbeitgeber von seinem Direktionsrecht so Gebrauch zu machen habe, dass dem Arbeitnehmer eine Leistungserbringung wieder möglich werde. Das Ermessen des Arbeitgebers sei sodann „auf Null“ reduziert, da er aufgrund seiner Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet sei, der Empfehlung des Arztes, dem Mitarbeiter eine Tätigkeit im Homeoffice zuzuweisen zu entsprechen.

Erfreulicherweise sind diesen eher in der Minderheit befindlichen Literaturmeinungen in den vergangenen Jahren einige Instanzengerichte entschieden entgegengetreten und haben darauf hingewiesen, dass es einen allgemeinen gesetzlichen Anspruch, von zu Hause aus tätig zu werden, nicht gibt. Sofern der Arbeitsort vertraglich nicht bestimmt sei, obliege es dem Arbeitgeber, diesen gemäß § 106 GewO im Rahmen seines Direktionsrechts zu konkretisieren und damit die Arbeit von zu Hause aus zu erlauben oder eben auch nicht. Bei Ausübung dieses Direktionsrechts habe der Arbeitgeber unter Berücksichtigung seiner Fürsorgepflicht für den Gesundheitsschutz seines Mitarbeiters einen gewissen Entscheidungsspielraum. Insoweit ist eine entsprechende Interessenabwägung vorzunehmen, bei welcher auch betriebliche Interessen des Arbeitgebers durch diesen angemessen berücksichtigt werden dürfen.

Für den praktischen Umgang mit einem vorgelegten Homeoffice Attest bedeutet dies, dass solche Atteste nicht automatisch in jeder Situation einen erzwingbaren Anspruch auf Tätigwerden ausschließlich im Homeoffice zugunsten des Arbeitnehmers statuieren.

Da dem Arbeitgeber oftmals nicht bekannt ist, aufgrund welcher gegenüber dem Arzt dargestellten Arbeitsbedingungen dieser das Homeoffice Attest ausgestellt hat, wird dem Arbeitgeber ein diesbezüglicher Informationsanspruch zuzubilligen sein. Um die durch das Homeoffice Attest bescheinigte Beschränkung nachvollziehen zu können, muss der Arbeitgeber die Grundlagen, auf denen das Attest ausgestellt wurde mitgeteilt erhalten. Das bedeutet in der Praxis, dass der Arbeitnehmer mithilfe einer inhaltlichen Ausführung des Arztes zumindest darlegen muss, von welchen Bedingungen er bei der Arbeit bei dem vom Arbeitgeber bestimmten betrieblichen Arbeitsplatz ausgegangen ist und welche dieser Arbeitsbedingungen zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung führt. Nur auf diese Art und Weise kann der Arbeitgeber in Erfahrung bringen, inwieweit gesundheitliche Einschränkungen dem Arbeitnehmer die Ausübung seiner Tätigkeit an diesem Arbeitsplatz unmöglich machen, um sodann im Rahmen seines Direktionsrechts Erwägungen anzustellen, ob der Arbeitsplatz eventuell in einen „leidensgerechten“ Arbeitsplatz umgestaltet werden kann. Nur wenn der Arbeitgeber über die bestehenden Einschränkungen in Verbindung mit dem aktuell bestehenden Arbeitsplatz in Kenntnis gesetzt wird, hat er überhaupt die Möglichkeit sein Direktionsrecht angemessen auszuüben. Darüber hinaus sollte der Arbeitgeber eine Auskunft darüber verlangen, ob diese Einschränkung auf Dauer oder nur für einen gewissen Zeitraum bestehen wird.

Erst wenn nach dieser substantiierten Auskunft auch aus der Perspektive des Arbeitgebers keinerlei andere Möglichkeiten als die Zuweisung einer Tätigkeit im Homeoffice besteht, diese grundsätzlich auch möglich ist und nicht durch entgegenstehende betriebliche Interessen aufgewogen wird, dürfte das Direktionsrecht des Arbeitgebers dahingehend auszuüben sein, dass er die Zuweisung einer Tätigkeit im Homeoffice anweist. Sollte der Arbeitgeber jedoch auch andere Maßnahmen sehen, um den ärztlich beschriebenen Umständen im Rahmen der Gesundheitsfürsorge für seinen Mitarbeiter Rechnung zu tragen, steht es dem Arbeitgeber frei, sein Direktionsrecht auch in anderer Gestalt als der Zuweisung einer Homeofficetätigkeit auszuüben.

Für die praktische Handhabung bei Vorlage eines Homeoffice Attests bedeutet dies, dass Arbeitgeber zunächst eine tiefergehende Information durch den Arbeitnehmer über die tatsächlich zugrunde gelegten Arbeitsbedingungen und gesundheitlichen Einschränkungen einfordern sollten, um prüfen zu können, ob darauf basierend nicht gegebenenfalls eine anderweitige leidensgerechte Umgestaltung des Arbeitsplatzes möglich ist. Die pauschale Empfehlung des Hausarztes dem Mitarbeiter eine Tätigkeit ausschließlich im Homeoffice zuzuweisen, wird jedenfalls für den Arbeitgeber nach aktuell herrschender Auffassung nicht automatisch dazu führen, dass der Mitarbeiter einen Anspruch auf eine ausschließliche Tätigkeit im Homeoffice hat.

Dr. Bianca Maiworm ist als Rechtsanwältin am Attendorner Standort der Sozietät Dr. Schreiner + Partner tätig. Sie ist Fachanwältin für Arbeitsrecht.

Im Anschluss an ihr wirtschaftlich ausgerichtetes Jurastudium promovierte sie an der Universität Osnabrück. Zudem erwarb sie die Zusatzqualifikation des LL.M. im Wirtschaftsstrafrecht.

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