21. Februar 2024
Individualarbeitsrecht, Prozessführung, New Work, Vergütung
Autor Volker Flach
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Gehaltsrückforderung wegen nicht erbrachter Arbeitsleistung im Home-Office

Der nachfolgende Beitrag erörtert die Rechtsfrage, ob und unter welchen rechtlichen Voraussetzungen Arbeitgeber Ansprüche auf Rückforderung des von ihnen gezahlten Gehalts gegenüber Arbeitnehmern geltend machen können, die nach Ansicht des Arbeitgebers im Home-Office nicht die geschuldete Arbeitsleistung erbracht haben. Der Beitrag legt hierbei einer aktuellen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg- Vorpommern vom 28 9. 2023- 5 SA 15/23 zugrunde.

 

Sachverhalt

Home-Office erfreut sich auch nach Beendigung der Corona-Pandemie einer großen Beliebtheit. Durch die Tätigkeit des Arbeitnehmers im Home-Office werden allerdings die Kontroll- und Zugriffsmöglichkeiten des Arbeitgebers erheblich eingeschränkt. Stellt der Arbeitgeber nun fest, dass der im Home-Office arbeitende Arbeitnehmer vielfach telefonisch nicht erreichbar ist oder auf Kontaktversuche per E-Mail nur mit zeitlicher Verzögerung reagiert, stellt sich die Frage, ob dem Arbeitgeber das Recht zusteht, Vergütungsansprüche zu kürzen.

Grundlage für die Rechtsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist der Arbeitsvertrag. Dieser verpflichtet den Arbeitnehmer als Hauptleistungspflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung und den Arbeitgeber zur Zahlung der vertraglich vereinbarten Vergütung (§ 611a BGB). Nach § 326 Abs. 1 BGB entfällt, wenn der Schuldner nach § 275 Abs. 1-3 BGB nicht zu leisten braucht, der Anspruch auf Gegenleistung; bei Teilleistungen findet § 441 Abs. 3 BGB entsprechende Anwendung. Gemäß § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Hieraus folgt, dass der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ganz oder teilweise entfällt, wenn er seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht oder nicht in vollem Umfang nachkommt, es sei denn, die Vergütung ist aus anderen Rechtsgründen fortzuzahlen, z.B. im Falle einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Dies entspricht dem im Arbeitsrecht geltendem Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“.

Die Arbeitsleistung muss grundsätzlich zu den, vom Arbeitgeber vorgegebenen Zeiten erbracht werden. Dem Arbeitgeber steht diesbezüglich ein Direktionsrecht gemäß § 106 GewO zu. Es handelt sich hierbei also um eine sogenannte Fixschuld. Hieraus folgt wiederum, dass die Arbeitsleistung grundsätzlich nicht nachgeholt werden kann (BAG, Urteil vom 7 20. Januar 2016- 5 AZR 9/15).

 

Beweis- und Darlegungslast

Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass und in welchem Umfang der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Arbeitspflicht nicht erfüllt hat. Auf diesen Vortrag hat der Arbeitnehmer sodann substantiiert zu erwidern.

An den Vortrag des Arbeitgebers bestehen nach dem oben zitierten Urteil des LAG Schleswig-Holstein jedoch hohe Hürden. Das LAG hat hier zwar ausgeführt, dass der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers ganz oder teilweise entfällt, wenn der Arbeitnehmer seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht oder nicht im vollen Umfang nachkommt (Ausnahme z.B. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall). Dem dortigen Arbeitgeber war es jedoch nicht gelungen zur Überzeugung des Gerichts substantiiert vorzutragen, dass die Arbeitnehmerin ihre Arbeitsleistung nicht bzw. anteilig nicht erfüllt hat. Die beklagte Arbeitgeberin ließ sich dahingehend ein, dass die ihren Lohn einklagende Arbeitnehmerin für die von ihr in die Zeiterfassung eingetragenen Stunden keinen objektivierbaren Arbeitsnachweis vorgelegt habe. Die Klägerin habe weder die ihr aufgetragenen Tätigkeiten vorgenommen noch gäbe es sonstige Ausarbeitungen oder Arbeitsdokumente.

Hiermit habe die Arbeitgeberin- so das- erkennende Gericht- nicht dargelegt, in welchem Umfang die Klägerin ihrer Arbeitspflicht nicht nachgekommen sei. Aufgrund eines E-Mailverkehrs war erkennbar, dass die Arbeitnehmerin verschiedene Tätigkeiten entfaltet habe auch, wenn sie der Aufforderung zur Überarbeitung eines Qualitätshandbuchs nicht nachgekommen sei. Hierbei sei unerheblich, ob die Klägerin die Arbeiten in der gewünschten Zeit oder dem gewünschten Umfang erledigt habe.

Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass grundsätzlich der subjektive Leistungsbegriff im Arbeitsrecht maßgeblich ist. Dies bedeutet, dass ein Arbeitnehmer keinen Erfolg, sondern nur das angemessene Ausschöpfen seiner individuellen Leistungsfähigkeit schuldet. Der Arbeitnehmer muss tun was er soll, und zwar so gut er kann.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass arbeitgeberseitig, um der Darlegungs- und Beweislast genüge zu tun, umfassend vorgetragen werden muss in welchem Umfang der Arbeitgeber seiner Arbeitspflicht nicht nachgekommen ist. Dies wird im Zweifel aufgrund der Tätigkeit im Home-Office schwierig werden. Um hier überhaupt die Möglichkeit eines substantiierten Vortrages zu haben, sollten dem Arbeitnehmer klare zeitliche Vorgaben hinsichtlich der Erledigung der Aufgaben gemacht werden. Der Arbeitnehmer sollte außerdem aufgefordert werden im Rahmen von Tätigkeitsberichten seine Arbeitsleistung darzustellen, was im Rahmen des Direktionsrechts zulässig wäre. Auch sollte genau dokumentiert werden wann und in welchem Zeitraum der Arbeitnehmer nicht erreichbar war. Das Verbot der privaten Nutzung des E-Mailpostfachs erleichtert überdies eine Kontrolle der versandten E-Mail ungemein. Letztlich muss dann im Einzelnen dargelegt werden, in welchem Umfang der Arbeitnehmer Tätigkeiten erbracht bzw. nicht erbracht hat.

 

Über den Autor

Volker Flach ist seit 2020 als Rechtsanwalt am Hamburger Standort der Sozietät Dr. Schreiner + Partner tätig.

Er ist seit 2004 als Rechtsanwalt zugelassen und seit 2010 Fachanwalt für Arbeitsrecht. Vor seiner Tätigkeit bei der Kanzlei Dr. Schreiner + Partner war er in verschiedenen Kanzleien tätig und leitete zuletzt für über 12 Jahre das arbeitsrechtliche Dezernat einer Hamburger Kanzlei.

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