Arbeitsrechtslexikon

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Begriff

Sozialauswahl

Eine Sozialauswahl findet im Rahmen von betriebsbedingten Kündigungen statt.

Was ist eine Sozialauswahl?

Anders als bei Kündigungen aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen hat bei betriebsbedingten Kündigungen eine soziale Auswahl stattzufinden; dies vor dem Hintergrund, dass personen- oder verhaltensbedingte Kündigungen ohnehin nur bestimmte Arbeitnehmer betreffen. D. h. der Arbeitgeber muss nach Prüfung der erläuterten Voraussetzungen (Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung, kausaler Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit, keine milderen Mittel, insbesondere keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen freien Arbeitsplatz) darüber entscheiden, welcher Arbeitnehmer seines Betriebs betriebsbedingt zu entlassen ist. Im Rahmen dessen muss er gemäß § 1 Abs. 3 KSchG soziale Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigen.

Diese soziale Auswahl findet in drei Schritten statt:

  1. Zunächst ist zu prüfen, welche Arbeitnehmer des Betriebs in die soziale Auswahl einzubeziehen sind.
  2. Sodann muss geprüft werden, welcher der in den Kreis der Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer unter Berücksichtigung seiner Sozialdaten am wenigsten sozial schutzwürdig ist und daher zur Kündigung ansteht.
  3. Letztlich ist zu prüfen, ob diesem Ergebnis der Sozialauswahl betriebstechnische, wirtschaftliche oder sonstige berechtigte betriebliche Bedürfnisse entgegenstehen.

 

Welche Arbeitnehmer werden in die Sozialauswahl einbezogen?

Die soziale Auswahl ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts betriebsbezogen durchzuführen (BAG, Urteil vom 22.05.1986, AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969). Es bleiben also diejenigen Arbeitnehmer unberücksichtigt, die in anderen Betrieben des kündigenden Unternehmens beschäftigt werden.

Innerhalb desselben Betriebs sind alle Arbeitnehmer miteinzubeziehen, die miteinander vergleichbar sind. Dies ist vor allem in Großbetrieben nicht ganz unproblematisch. Das Gesetz stellt jedoch ausdrücklich klar, dass es nicht möglich ist, hinsichtlich der im Rahmen der Sozialauswahl zu berücksichtigenden Arbeitnehmer auf Untergliederungen des Betriebs (beispielsweise auf Abteilungen) abzustellen. Entsprechend erstreckt sich in einem Gemeinschaftsbetrieb mehrerer Unternehmen die Sozialauswahl auch auf sämtliche Arbeitnehmer des Gemeinschaftsbetriebes, welche miteinander vergleichbar sind.

Vergleichbarkeit im vorgenannten Sinne setzt voraus, dass der Arbeitnehmer, dessen konkreter Arbeitsplatz weggefallen ist, die Arbeit eines anderen Arbeitnehmers, dessen Arbeitsplatz noch besteht, übernehmen kann. Für diesen Vergleich ist zunächst der Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers maßgeblich. Eine Vergleichbarkeit ist hiernach nach herrschender Meinung nur dann zu bejahen, wenn der unmittelbar betroffene Arbeitnehmer die Tätigkeit seines Kollegen ohne eine Änderung seines Arbeitsvertrages übernehmen könnte, also die Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz allein kraft Direktionsrecht des Arbeitgebers erfolgen könnte. Wenn jedoch eine Änderungskündigung hierzu erforderlich ist, schließt dies die Vergleichbarkeit aus.

Darüber hinaus richtet sich die Vergleichbarkeit nach dem Anforderungsprofil des Arbeitsplatzes, also nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen und damit nach der ausgeübten Tätigkeit. Arbeitnehmer, die völlig übereinstimmende Tätigkeiten ausüben, sind uneingeschränkt austauschbar, sodass es hier auf Qualifikationsunterschiede nicht ankommt. Wenn es sich hingegen nur um eine teilweise identische oder um eine andersartige Tätigkeit handelt, muss geprüft werden, ob der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, diese Tätigkeit aufgrund seiner individuellen Ausbildung und seiner fachlichen Qualifikation übernehmen kann (vgl. BAG, Urteil vom  29.03.1990, AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969). Allerdings ist in diesem Falle eine baldige Ersetzbarkeit erforderlich, um eine Vergleichbarkeit annehmen zu können. An dieser fehlt es, wenn der unmittelbar betroffene Arbeitnehmer eine nicht unerhebliche Einarbeitungszeit benötigt, welche jedenfalls die Einarbeitungszeit überschreitet, die ein neu eingestellter Arbeitnehmer brauchen würde.

Grundsätzlich findet der Vergleich auf derselben Ebene der Betriebshierarchie statt. Man spricht hier von der sogenannten horizontalen Vergleichbarkeit. Eine vertikale Vergleichbarkeit ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht möglich.

Für die soziale Auswahl scheiden diejenigen Arbeitnehmer aus, deren Arbeitsverhältnis nicht ordentlich betriebsbedingt gekündigt werden kann. Es spielt hierbei zunächst keine Rolle, ob der besondere Kündigungsschutz auf einer gesetzlichen, tarifvertraglichen oder einzelvertraglichen Regelung beruht. Wenn eine ordentliche Kündigung einer behördlichen Zustimmung bedarf, z. B. bei Frauen im Mutterschutz oder Arbeitnehmern im Elternurlaub, sind diese besonders geschützten Arbeitnehmer bis zum Vorliegen der Zustimmung aus der Sozialauswahl auszuklammern. Dies gilt aber nicht für Schwerbehinderte.

Gemäß § 15 Abs. 1 bis 3a KSchG ist die ordentliche Kündigung eines Betriebsrats- oder Personalratsmitglieds sowie eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung, eines Wahlvorstands oder eines Arbeitnehmers, der zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversammlung einlädt oder die Bestellung eines Wahlvorstands beantragt, unzulässig, es sei denn, der Betrieb oder der Betriebsteil wird still gelegt (§ 15 Abs. 4 und 5 KSchG).

Arbeitnehmer, die noch keine Betriebszugehörigkeit von mehr als 6 Monaten aufweisen und deshalb noch keinen Kündigungsschutz genießen, dürfen einem Arbeitnehmer mit Kündigungsschutz regelmäßig nicht vorgezogen werden. Hier können lediglich die betriebstechnischen, wirtschaftlichen oder sonstigen berechtigten betrieblichen Bedürfnisse die Weiterbeschäftigung des noch nicht geschützten Arbeitnehmers bedingen und damit der Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten entgegenstehen (§ 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG).

 


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Was sind die Kriterien für eine Sozialauswahl?

Seit dem 01.01.2004 beschränkt § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG die sozialen Kriterien auf folgende Kriterien:

  • Betriebszugehörigkeit,
  • Lebensalter,
  • Unterhaltspflichten,
  • Schwerbehinderung

 

Wie werden die Sozialdaten bewertet?

Bei der Sozialauswahl gibt es keine feste Wertungsskala wie die einzelnen Kriterien zu berücksichtigen sind. Es bedarf also stets einer Einzelfallbetrachtung.

Laut § 1 Abs. 3 KSchG hat der Arbeitgeber die sozialen Gesichtspunkte „ausreichend“ zu berücksichtigen. Bei der Gewichtung der Sozialkriterien kommt ihm ein Wertungsspielraum zu. Mit Urteil vom 5. Dezember 2002 entschied das Bundesarbeitsgericht, dass die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers nur vertretbar sein und nicht der Entscheidung entsprechen müsse, die das Gericht getroffen hätte, wenn es eigenverantwortlich soziale Erwägungen hätte anstellen müssen (BAG, Urteil vom 05.12.2002, 2 AZR 549/01). Dabei darf der Arbeitgeber auch ein Punkteschema verwenden. Dies gilt selbst dann, wenn keine förmliche Vereinbarung hierüber nach § 1 Abs. 4 KSchG vorliegt. Der Arbeitgeber ist allerdings gehalten, die Punktetabelle nur zur Vorauswahl zu verwenden. In jedem Fall muss im Anschluss an die aufgrund der Punktetabelle getroffene Vorauswahl eine individuelle Abschlussprüfung stattfinden. Bei der Frage, wie die Sozialkriterien abstrakt zu gewichten sind, vertritt das Bundesarbeitsgericht die Ansicht, dass es weder möglich noch angezeigt ist, dem Arbeitgeber hinsichtlich der Gewichtung der Wahlkriterien abstrakte Vorgaben zu machen. Das Bundesarbeitsgericht hielt folgendes Punktesystem für zulässig (BAG, Urteil vom 05.12.2002, 2 AZR 549/01):

  • für jedes Jahr der Betriebszugehörigkeit 1 Punkt; ab dem 11. Dienstjahr je Dienstjahr 2 Punkte (maximal bis zum 55. Lebensjahr), d. h. maximal 70 Punkte für die Dauer der Betriebszugehörigkeit
  • für jedes volle Lebensjahr: 1 Punkt (maximal bis zum 55. Lebensjahr)
  • für jedes unterhaltsberechtigte Kind: 4 Punkte
  • verheiratet: 8 Punkte
  • Schwerbehinderung mit einem Behinderungsgrad bis 50%: 5 Punkte, bei einem Behinderungsgrad von über 50 % für jede weiteren 10 %: 1 Punkt

Hinsichtlich der Beurteilungskriterien lässt § 1 Abs. 4 KSchG Richtlinien in einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung nach § 95 BetrVG oder einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen zu. Soweit dort festgelegt ist, welche sozialen Gesichtspunkte im Sinne des § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG zu berücksichtigen sind und wie sie im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, kann diese Bewertung seitens des Gerichts nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

Grob fehlerhaft ist eine Richtlinie, wenn durch sie die getroffene Sozialauswahl mit einem derartig schwerwiegenden Fehler behaftet ist, dass die Funktion der Sozialauswahl selbst in Frage gestellt ist. Das ist der Fall, wenn die Gewichtung der sozialen Grunddaten (Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten, Schwerbehinderung) nicht die gebotene Ausgewogenheit aufweisen. Das Gericht hat also die Regelungen der Betriebspartner daraufhin zu überprüfen, ob sie den Wertungen des § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG entsprechen. Der Inhalt der Regelung muss daher den gesetzlichen Anforderungen genügen. Die Auswahlrichtlinien müssen in jedem Falle die vier unerlässlichen sozialen Grunddaten aufweisen und zwar in erheblichem und ausgewogenem Maße. Bei der Festlegung von Punktewerten für die einzelnen Auswahlkriterien steht den Betriebspartnern ein Beurteilungsspielraum zu. Die Gewichtung muss vertretbar sein. Da es sich dann nicht um eine einseitige Regelung des Arbeitgebers handelt, ist in der Regel auch eine Gewähr für eine ausgewogene Regelung gegeben. Zu beachten ist, dass durch Auswahlrichtlinien und Punktesysteme nicht der Kündigungsschutz selbst eingeschränkt wird.

Das privilegierte Auswahlermessen der Tarif- bzw. Betriebspartner erstreckt sich jedoch nur auf die Bewertung der Sozialkriterien des § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG, nicht aber auf Regelungen, die die Vergleichbarkeit oder berechtigten betrieblichen Bedürfnisse im Sinne des § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG betreffen. Bei diesen Regelungen bleibt es bei einer vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit.

Hinsichtlich der Verwendung von Punktesystemen ohne mitbestimmte Auswahlrichtlinien ist anerkannt, dass diese die soziale Auswahl erleichtern können, jedoch Schematisierungen untersagt sind, die den Besonderheiten des Einzelfalles nicht Rechnung tragen.

Demnach eignet sich ein Punktesystem lediglich zur Vorprüfung und zur Vorbereitung der Sozialauswahl. Anschließend muss noch eine Schlusswertung erfolgen, die auf die individuellen Besonderheiten des Einzelfalles abstellt. Punktebewertungen entsprechen nur dann der Wertung des § 1 Abs. 3 KSchG, wenn sie Raum für eine abschließende Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten des Einzelfalles lassen. Aus diesem Grunde sollte nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts im Anschluss an die Vorauswahl auf Basis einer der Punktetabelle, immer noch eine individuelle Abschlussprüfung der Sozialauswahl stattfinden – dies insbesondere zur Vermeidung von unbilligen Härten, die die Anwendung eines Schemas mit sich bringen könne.

Nach der Vorschrift des § 1 Abs. 5 KSchG besteht bei Kündigungen infolge einer Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG die Möglichkeit, die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich zu bezeichnen. Folge einer solchen Namensliste ist nach der gesetzlichen Regelung zum einen die Vermutung, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Zum anderen soll die soziale Auswahl hinsichtlich der auf der Namensliste stehenden Arbeitnehmer nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit hin überprüft werden können. Eine Einschränkung dieser gesetzlichen Vermutung und des reduzierten Prüfungsmaßstabs ist allerdings für den Fall vorgesehen, dass sich die Sachlage nach Abschluss des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Die Gesetzesbegründung stellt zudem klar, dass sich die Vermutung sowohl auf den Wegfall der bisherigen Beschäftigung als auch auf das Fehlen anderer Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb oder Unternehmen bezieht.